PKP Psychiatrische Kurz-Psychotherapie

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Nachfolgend der Vorabdruck eines Artikels in der Zeitschrift PSYCHOTHERAPIE – erscheint im November 2021:

Psychiatrische Kurz-Psychotherapie – eine Einführung und ein Überblick

Autor: Serge K. D. Sulz

  1. Einführung

2. Theorie

3. Praxis

4. Forschung

5. Literatur

  1. Einführung

Die Facharztbezeichnung ist zwar „Psychiatrie und Psychotherapie“, aber heute ist die Psychotherapie die Domäne der Psychologischen PsychotherapeutInnen. Deren Tätigkeitsfeld ist gesetzlich geregelt und besteht fast ausschließlich in der Durchführung von „Richtlinientherapie“. Diese bestand bis 2017 z.B. aus 25, 45, 60 oder gar 80 verhaltenstherapeutischen Therapiesitzungen, für die vorher ein Antrag gestellt werden musste. Erst wenn der Gutachter/die Gutachterin nach Begutachtung eines dreiseitigen Berichts den Antrag befürwortete, konnte die Behandlung beginnen. Eine sofort ohne Umschweife beginnende Akuttherapie wie sie heute existiert, gab es nicht. Da wesentlicher Bestandteil psychiatrischer Tätigkeit die unmittelbare Behandlung akuter Erkrankungen ist, waren die Psychotherapie-Richtlinien eher ein Störfaktor der Akutversorgung psychisch erkrankter Menschen – aus der Perspektive der Psychiatrie. Weder das zeitraubende Antragsverfahren noch das 50-minütige Therapiesetting sind kompatibel mit der psychiatrischen Praxis. Diese benötigt sofort einsetzbare kurze Interventionen der Psychotherapie, die auch bei schweren Störungen einsetzbar sind, sowohl in der Sprechstunde der ambulanten Praxis bzw. Ambulanz als auch im Patientengespräch der StationsärztIn im Krankenhaus. Die Psychiatrische Kurz-Psychotherapie PKP sollte PsychiaterInnen den Zugang zur Psychotherapie verschaffen, der ihren den Anforderungen der Akuttherapie entspricht.

Die Anfänge von PKP liegen sehr weit zurück. Der 1993 erschienene „Ratgeber Depression“ (Sulz 1993) war so gefragt, dass 2003 als Nachfolger „Depression – Ratgeber und Manual“ mit einer Erweiterung um ein Manual im Sinne von Rat und Tat veröffentlicht wurde (Sulz 2003). Dessen Teil 2: „Den Weg aus der Depression gehen“ enthielt bereits das Expositionsprinzip bezüglich der vier Emotionsgruppen Freude, Angst, Wut und Trauer und es wurde danach gefragt, was mit Hilfe der Depression vermieden wird. Depression als Vermeidungsverhalten war bis dahin in Forschung und Publikationen nicht berücksichtigt worden. Nur die tiefenpsychologischen Theorien waren darauf eingegangen.

2. Theorie

Depression als Vermeidungsverhalten 

Die Anfänge von PKP liegen sehr weit zurück. Der 1993 erschienene „Ratgeber Depression“ (Sulz 1993) war so gefragt, dass 2003 als Nachfolger „Depression – Ratgeber und Manual“ mit einer Erweiterung um ein Manual im Sinne von Rat und Tat veröffentlicht wurde (Sulz 2003, 2017). Dessen Teil 2: „Den Weg aus der Depression gehen“ enthielt bereits das Expositionsprinzip bezüglich der vier Emotionsgruppen Freude, Angst, Wut und Trauer und es wurde funktionsanalytisch danach gefragt, was mit Hilfe der Depression vermieden wird. Depression als Vermeidungsverhalten war bis dahin in Forschung und Publikationen nicht berücksichtigt worden. Nur die tiefenpsychologischen Theorien waren darauf eingegangen. Es gibt jedoch auch einen genuin verhaltenstherapeutischen Zugang: Die Betrachtung der Depression als instrumentelles Verhalten, das einem Zweck dient und ein Ziel erreichen soll. Damit wird deutlich über das gängige Verstärkerverlust- und das „Gedanken machen depressiv“-Paradigma hinausgegangen. Damit sind wir nicht weniger verhaltenstheoretisch als diese beiden zu oft dem Fall nicht gerecht werdenden einfachen Störungsmodelle. Vielmehr wird das häufige und mächtige Prinzip der negativen Verstärkung in den Mittelpunkt gestellt. Denn das Prinzip „fehlende Verstärkung macht depressiv“ ist rein kausal und vernachlässigt, dass das depressive Syndrom ein Bündel von Verhaltensweisen ist, die jeweils durch negative Verstärkung aufrechterhalten werden. Die heutige funktionsanalytische Betrachtungsweise von Verhalten nimmt zur kausalen Komponente die teleologische hinzu, d.h. die instrumentelle Komponente von Vermeidungsverhalten und Symptombildung. Was bei anderen Symptombildungen evident erscheint, wird der Depression nur zögerlich zugestanden. Sie ist aber nicht nur ein Ergebnis, ein Endzustand. Sie ist eine unbewusste Strategie der menschlichen Psyche, die durch ihre intendierte Wirksamkeit aufrechterhalten wird. Diese Aussage können wir psychodynamisch nennen und denken dabei an die Tiefenpsychologie. Bei genauerer Betrachtung sind die Begriffe psychodynamisch und funktionsanalytisch Synonyme. Die Tiefenpsychologie verwendet heute auch immer häufiger den Begriff der Vermeidung, wo sie doch beim Begriff „Abwehr“ bleiben könnte. Schädliches oder Bedrohliches wird vom bewussten Erleben ferngehalten, sei es auch um den Preis der Realitätsverzerrung oder gar der Verleugnung von Tatsachen. 

Depression als kompromisshafte Konfliktlösung

Wir stimmen auch mit der Tiefenpsychologie darin überein, dass das Symptom ein Mittel ist, um einen mit normalpsychologischen Mechanismen unlösbaren Konflikt trotzdem noch lösen zu können. Bei zwei Lösungsmöglichkeiten eines Konflikts wird diejenige vermieden, die zu viel Angst, Scham oder Schuldgefühle erzeugen würde. Oft ist es ein wehrhaftes Eintreten für eigene Belange, das diese Gefühle auslösen würden. Da aber die zweite Alternative – weiterhin sich alles gefallen lassen, unerträglich geworden ist, kann sie nicht ohne weiteres gewählt werden. Hier hilft das Symptom als Kompromiss.

Der Begriff Kompromiss ist in der Tiefenpsychologie so gemeint, dass zwar die Entscheidung gegen die Selbstfürsorge und Selbstbehauptung fällt, aber doch noch nicht völlig im angepassten nachgiebigen Habitus geblieben wird. Denn das Symptom macht die Fortsetzung der Anpassung oder gar Unterwerfung unmöglich. Wer depressiv ist, kann das bisherige angepasste Sozialverhalten nicht aufrechterhalten, sondern zieht sich zurück und kann auch nicht mehr so viel für andere leisten wie bisher. Aber das können die anderen tolerieren, da ihnen nicht entgegengeschmettert wird „Ich will nicht mehr“, sondern vielmehr mit schwacher Stimme ein geplagtes „Ich kann nicht mehr“ gehaucht wird. Erst sehr verzögert werden die Bezugspersonen ärgerlich – wenn sie merken auf wieviel gemeinsames Erleben sie verzichten müssen.

Die Überlebensregel als Konfliktlösungsstrategie

Es ist anstrengend und unzuverlässig, sich in jeder Konfliktsituation auf sein momentanes Gefühl zu verlassen. Unsere Psyche arbeitet sehr ökonomisch und effizient. In diesem Fall gibt sie eine Handlungsregel vor, die bestimmt, wie in konflikthaften Situationen zu handeln ist. Lange bevor wir uns Gedanken machen können, ist von emotionaler Seite her schon die Entscheidung gefallen. Und wenn wir doch anfangen uns dagegen zu wehren, entsteht sofort Angst, Scham oder Schuldgefühl, so dass wir auf dem rechten Weg bleiben. Unser Verhalten ist also nicht einfach konditioniert oder biologisch vorgegeben, sondern es wird zu einem großen Teil durch Regeln geleitet, die sich aus unseren Erfahrungen der ersten Lebensjahre ergeben. In diesem Sinne sprechen Hayes, Gregg & Wulfert (1998) von „rule governed behavior“ (vergl. Sulz 2917a,b).

Die Regeln beginnen früh im Leben. Bowlby (1975, 1976) beschreibt das „Innere Arbeitsmodell“ des Säuglings als Quintessenz des Bindungsangebots der Mutter. Das Kind verhälts ich fortan so, dass die Wahrscheinlichkeit, ausreichend Bindung zu erhalten, so groß wie möglich mit genau dieser Mutter ist. Dies ist eine Regel, die dem Kind das emotionale Überleben ermöglicht. Dies entspricht den „Grundannahmen“ von Aaron T. Beck (1979, 2004) und den „survival patterns“ von Samual Slipp (1973). Annemarie Dührssen (1995) hat diese Heuristik unabhängig von der Bindungstheorie in der Tiefenpsychologie bekannt gemacht.

Wenn wir wie es in der Sprache der Verhaltenstherapie üblich ist, nur Körper – Emotion – Kognition und Handlung unterscheiden, dann ist die Überlebensregel kognitiv. Entsprechend hat Aaron T. Beck (1979) die impliziten Grundannahmen des Kindes über das Funktionieren der Welt dem Kognitiven zugeordnet. Dies sind die Schlussfolgerungen des Kindes aus seinen Erfahrungen vor allem mit den Eltern, die sich aus seinem Weltbild und seinem Selbstbild zusammensetzen. Das sind kausale Aussagen, die vorhersehen lassen, wie Eltern auf welches kindliche Verhalten reagieren werden. Da diese Grundannahmen auch beim Erwachsenen vorhanden sind, oft kaum verändert, werden ihre Vorhersagen immer weniger zutreffen. Was also in der Kindheit höchst hilfreich war, wird für Erwachsene eine irreführende Verhaltensregel. Zum Beispiel: Wenn Du Dich wehrst, wirst Du abgelehnt und ausgeschlossen. Bei angemessener Wehrhaftigkeit ist das Gegenteil der Fall. Es wird mehr Rücksicht genommen und es entsteht größere Wertschätzung. Wenn von einer früheren Reaktion eines Elternteils auf das Verhalten einer heutigen Bezugsperson (z.B. Partner oder Vorgesetzter) geschlossen (übertragen) wird, nennt die Tiefenpsychologie dies Übertragung. McCullough (2007) bezeichnet die Grundannahmen als kausaltheoretische Schlussfolgerungen, die zu einer Übertragungshypothese führen. Theoretisch ist dies nur eine geringfügige Erweiterung von Becks kognitiver Theorie, die diese Aussagen implizit enthält.

Indem wir uns damit auseinandersetzen drücken wir diese Regel sprachlich aus. Aber der Säugling kann noch nicht sprechen. Es ist also eine präverbale Systemregel, die die psychischen Prozesse lenkt, ohne jedes explizite Denken und ohne jegliche Sprache. 

Ich habe aus den Formeln der genannten Autoren eine „Überlebensregel“ gemacht, die neben den Geboten und Verboten auch die Systemsollwerte benennt, d.h. die basalen und zentralen Bedürfnisse des Kindes und die existentiellen Bedrohungen und Befürchtungen (zentrale Ängste). Dadurch ist sie nicht nur eine Vorhersage mit Handlungsanweisung in einem ansonsten nicht bekannten System, sondern zugleich eine rudimentäre Beschreibung dieses Systems. Das psychische System des Menschen folgt dem Prinzip der Homöostase und versucht, die überlebensnotwendigen Sollwerte weitgehend konstant zu halten. Anders als in der Physik ändern sich die Sollwerte vielmals kontextabhängig (nach langer Ruhe brauche ich mehr Bewegung, nach erschöpfender Arbeit benötige ich mehr Ruhe). Deshalb sprechen wir von einem Fließgleichgewicht. Das ist im Psychischen (z.B. Geborgenheit) nicht anders als im Körperlichen (z.B. Blutdruck). Das angestrebte Gleichgewicht (der Bedürfnisbefriedigung) fließt in einem relativ konstanten Tolerenzbereich zwischen einem oberen gerade noch tolerablen und einem unteren gerade noch auszuhaltenden Grenzwert. Die Prozesse dieses Regelkreises sind wie die somatischen Regelungen nicht bewusst. Unser Bewusstsein wäre mit dieser Aufgabe auch völlig überfordert. Um solche automatischen zur festen Gewohnheit gewordenen Verhaltenssteuerungen zu verändern, muss in diese Selbstregulation eingegriffen werden. Hierzu haben Kanfer und Karoly (1972) das Konzept der Selbstkontrolle empfohlen: Sich bei dem dysfunktionalen Automatismus ertappen (bewusst machen), das automatische Verhalten stoppen und das negative Gefühl aushalten, das entsteht, wenn die Verstärkung ausbleibt, die das automatisierte Verhalten bewirkt hätte. Der Vorgang der Selbstkontrolle wird etwas verspätet verstärkt, z.B. durch die Erfahrung, auf diese Weise Selbststeuerungsfähigkeit erlangt zu haben und wirksam zu sein. Das entspricht der Selbstwirksamkeitserfahrung, wie sie von Bandura (1977) hervorgehoben wurde.

Der zweite wichtige motivationale Sollwert der Psyche ist neben der Befriedigung von Grundbedürfnissen oder zentralen Bedürfnissen (Sulz 2017b) das Fernhalten von Bedrohungen und Gefahren. Es gibt eine begrenzte Zahl unterscheidbarer Grundformen der Angst bzw. Grundängste oder zentrale Ängste, die die Psyche als Signale einsetzt, um Schutz vor Bedrohungen und Sicherheit weit genug entfernt von Gefahren herzustellen oder zu bewahren.

Diese beiden Sollwerte definieren die Funktion, den Zweck bzw. das Ziel der Überlebensregel. 

Die Kybernetik bzw. Systemtheorie benötigt zur Regelung neben den Sollwerten noch die Regelgrößen als Instrumente, die das Soll herbeiführen können. Dies ist das instrumentelle Verhalten des Menschen. Manche Verhaltensweisen helfen, den Sollwert einzuhalten (z.B. angepasstes Verhalten hilft, von Autoritäten akzeptiert zu werden). Andere Verhaltensweisen machen es schwer, im Sollbereich zu bleiben wie Streitsüchtigkeit. Wir unterscheiden reflexhaftes und instrumentelles Verhalten. Wenn wir aus einem starken Affekt heraus reflexhaft (also nicht bewusst und willkürlich) reagieren, nehmen wir keine Rücksicht darauf, ob diese Reaktion die Homöostase unserer Bedürfnisbefriedigung durcheinanderbringt. Wenn wir generell impulsiv sind, stören wir unsere zwischenmenschliche Homöostase ständig. Bedürfnisbefriedigung bleibt aus, was uns frustriert und worauf wir wiederum impulsiv reagieren.

Instrumentelles Verhalten setzen wir häufiger aufgrund einer bewussten Intention ein – als Instrument zur Erreichung eines Ziels. Das bei Zielerreichung eintretende positive Gefühl wirkt auf dieses Verhalten verstärkend. Da es erfolgreich war, wird es künftig häufiger auftreten.

Also enthält die Überlebensregel Gebote, mit denen sie bestimmte Reaktionsweisen imperativ fordert. Und sie enthält Verbote, die verlangen andere Handlungsweisen zu unterlassen. Damit haben wir eine gebietende und verbietende Handlungsregel, die das emotionale Überleben sichern soll. Sie hilft uns schädliche Reflexe und Impulse zu unterlassen.

Die Syntax ist stets gleich:

Nur wenn ich immer (mich so und so verhalte)

Und wenn ich nie (mich auf gegenteilig verhalte),

bewahre ich mir die Befriedigung meines zentralen Bedürfnisses (z. B. Geborgenheit)

und verhindere meine existentielle Bedrohung (z.B. Trennung und Alleingelassen werden).

Diese Regel wird in einer Entwicklungsphase gebildet, in der das Weltbild und das Selbstbild noch sehr simpel sind, so dass Aussagen nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip wahrscheinlich sind. Trotzdem wird die Regel dem späteren Entwicklungsstand oft nicht angepasst, weshalb sie im Erwachsenenleben häufig dysfunktional wird. Je schwieriger und bedrohlicher die Kindheit war, umso starrer wird die Überlebensregel. Und umso größer die Neigung zur Übergeneralisierung. D.h. sie wird auch in jenen situativen Kontexten angewandt, die nur geringe Ähnlichkeit mit der ursprünglichen sehr prägenden Kindheitssituation haben. Ich werde also z.B. eine ängstlich-unterwürfige Haltung auch bei Personen einnehmen, die kaum überlegen und nur wenig mächtiger sind als ich. Damit soll verhindert werden, dass meine Bezugsperson auch nur im Geringsten Unmut mir gegenüber empfindet, und ein aggressives Verhalten sehr unwahrscheinlich wird. Bei manchen Menschen wird aber durch Unterwürfigkeit des Gegenübers sogar das Gegenteil bewirkt. Ihr Machtinstinkt löst die Tendenz aus, den anderen zu quälen und zu demütigen. So ein massives Verhalten wird durch die Überlebensregel nicht vorhergesagt und führt deshalb zu völliger Verwirrung und Ratlosigkeit. Ich mache doch genau das, was meine Überlebensregel gebietet. Und das Gegenteil geschieht! Das ist aber eine seltene Ausnahme, so dass wir oft ungeschoren davonkommen, was unsere Überlebensregel bestätigt. Falsifizieren kann ich sie hingegen nur, wenn ich das Gegenteil tue. Also das Gebotene nicht mache und das Verbotene mache. Das macht initial große Angst und erfordert deshalb sehr viel Mut.

Grundbedürfnisse – zentrale Bedürfnisse

Unsere umfangreichen Studien (Gräff 1998, Sulz, Gräff & Jacob 1998) zum biographischen Schicksal kindlicher Grundbedürfnisse und der strukturellen Manifestation recht konstanter zentraler Bedürfnisprofile im Erwachsenenalter mündeten in eine qualitative Studie ein (Sulz & Tins 1999), deren Resultat eine immer wieder bestätigte Taxonomie von Grundbedürfnissen war (vergl. Sulz & Müller 2000). Es ergaben sich drei Bedürfnisgruppen: Zugehörigkeits- oder Beziehungsbedürfnisse (die in den ersten 6 Jahren im Vordergrund stehen), Selbst- oder Differenzierungsbedürfnisse (die zwar auch schon in den ersten Lebensjahren befriedigt werden müssen, aber besonders ab dem Grundschulalter eine in den Vordergrund tretende Gestalt annehmen, sowie Homöostasebedürfnisse (die so nicht zu angeborenen Ausstattung des Kindes gehören, sondern sich aus stark belastenden chronischen Defiziten in der emotionalen Versorgung des Kindes entstehen („Nie wieder soll mir das passieren“). Wir haben aus hunderten von Biographien (VDS1 – Lebens- und Krankheitsgeschichte aus der Verhaltensdiagnostikmappe (Sulz 2008)) einige tausend Bedürfnisäußerungen gesammelt und sie inhaltsanalytisch geordnet. Es blieben insgesamt 21 Grundbedürfnisse (Abb. 1)

Abbildung 1: Grundbedürfnisse in Beziehungen

Eine Faktorenanalyse bestätigte die inhaltlich gewonnenen Bedürfniskategorien. Die Zugehörigkeits- oder Beziehungsbedürfnisse unterteilen sich in Bindung (das erste motivationale Überlebensprojekt des Kindes ist die Sicherstellung von Bindung) und Selbstwert (als zweites Überlebensprojekt zur Aufrechterhaltung eines gesund erhaltenden Selbstbilds). Die Selbst- oder Differenzierungsbedürfnisse bestehen aus drei Untergruppen: Autonomie und Autarkie (Lebenstüchtigkeit ohne völlige Abhängigkeit), Orientierung (als abgegrenztes Selbst an anderen lernen) und Identität (das Gemeinsame und das Verschiedene in der Begegnung erfahren). Alle Menschen bringen eine angeborene motivationale Ausstattung genetisch mit. Alle Menschen haben diese Bedürfnisse. Wieviel sie davon jeweils benötigen ist einerseits Teil ihres angeborenen Temperaments und andererseits Folge der elterlichen Befriedigung und Frustration. Was sehr rar war wird, in der Zukunft als Kostbarkeit erlebt und wird vorrangig angestrebt. Was es immer reichlich gab und woran es nie mangelte, wird wenig beachtet.

Nahezu alle Patienten, die zur Psychotherapie kommen, haben eine unsichere Bindung, so dass ihr Bindungssystem unaufhörlich am Arbeiten bleibt. Sie müssen ständig dafür sorgen, Sicherheit in ihren Beziehungen herzustellen. Das führt z.B. dazu, dass eine Patientin uns die ganze Therapiestunde anlächelt, während sie über schlimme Kindheitserfahrungen berichtet. Wir halten das für affektiv inadäquat, weil wir nicht erkennen, dass im Moment die sichere Bindung zu uns viel wichtiger ist und sie sich erst dann auf die affektive Bedeutung ihrer Geschichte einlassen können, wenn sie sich mit ihrem therapeutischen Gegenüber sicher fühlen.

Andere Patienten hängen dauernd an unseren Lippen und fürchten eine Äußerung hören zu müssen, die bestätigt, dass sie nicht wert sind, und sind umgekehrt für jede Wertschätzung unendlich dankbar.

Trotz dieser vielen Gemeinsamkeiten können wir für jeden Patienten ein ganz individuelles und persönliches Bedürfnisprofil erstellen, in dem sich ihre Kindheitsgeschichte spiegelt. Eine einfache und zuverlässige Art der Erfasssung des Bedürfnisprofils eines Menschen ist der VDS27-Bedürfnisfragebogen (Sulz 2008).

Grundformen der Angst – zentrale Ängste

Unsere Studien (Sulz & Maßun 2008) zu den Grundformen der Angst in Beziehungen haben die Ausführungen von Blanck & Blanck (1981, 1991, 1994) bestätigt. Wie die Bedürfnisse sind die Ängste jeweils in einer entwicklungspsychologischen Abfolge anzutreffen. Ein Thema wird durch ein neues Entwicklungsstadium relevant. So wird die Trennungsangst erst dann bedeutsam, wenn das Kind gehen kann, also auch von der Mutter weggehen kann. Damit verbunden ist auch die Möglichkeit, dass diese von ihm weggeht. Zuvor hat das Kind durch seine Geburt seine Existenz erhalten und hat Angst, diese zu verlieren. Das kann sich in Vernichtungsangst äußern. Wenn das Kind steuerungsfähig ist und sich und seine Umwelt unter willentliche Kontrolle bringen kann, bekommt es Angst diese neue Kompetenz wieder zu verlieren. Es hat Angst vor Kontrollverlust. Die weitere Entwicklung bringt es mit sich, dass das Kind Liebe und Geliebt werden als höchstes Gut erlebt und entsprechend seine Ängste neuerdings dahin gehen, diese zu verlieren. Sich aus der alles bedeutenden nahen Beziehung herauslösend und eigenständige Überzeugungen und Theorien über das Weltgeschehen und die Menschen entwickelnd, können diese gegen anders Denkende verteidigt werden, auch aggressiv, so dass Gegenaggression zu fürchten ist. Es ist eine Form der Selbstverteidigung – nicht Physisches und Materielles meinend, sondern innere Normen und Werte. Wird diese Position oder gar Bastion verlassen, weil liebende Hingabe lockt, so kann dies eine Angst erzeugen, sich in der Hingabe zu verlieren und nicht wieder zu sich selbst zurück zu finden.

Abbildung 2 Grundformen der Angst – zentrale Ängste

Einen Menschen verstehen wir erst, wenn wir seine zentrale Angst erkannt haben. Erst dann können wir empathisch sein Erleben und Verhalten begleiten. Manche Menschen können es sich in ihrem emotionalen Überlebenskampf gar nicht leisten, sich um ihre Bedürfnisse zu kümmern. Sie haben genug zu tun, ihre zentrale Angst zu bannen. Alles was sie tun, dient der Vermeidung ihrer zentralen Bedrohung. Wenn sie dies sehr erfolgreich tun, ist in ihrem Erleben gar keine Angst mehr. Sie verstehen unsere Frage nach der Angst nicht. Erst wenn sie ihre Vermeidung bleiben lassen (müssen), tritt Angst auf. Diese Angst ist ihnen fremd und sie verstehen vor allem nicht, wie groß diese Angst ist. Doch meist ist die zentrale Angst eines Menschen leicht zu eruieren. Das kann mittels eine Imagination erfolgen, bei der ein heftiger Streit mit einer nahen Bezugsperson phantasiert wird. Die Instruktion induziert eine Eskalation, an deren Ende die charakteristische Angst auftritt (Abb. 2): Vernichtung, Trennung, Kontrollverlust, Liebesverlust, Angst vor Gegenaggression. Im Kontext einer schönen Beziehungsphantasie kann im Gegensatz dazu die Angst vor Hingabe aufgefunden werden. Das Ausmaß jeder einzelnen Angst kann mit dem Angst-Fragebogen VDS28 (Sulz 2008) festgehalten werden. Aus diesem ergibt sich das persönliche Angstprofil.

Dysfunktionale Persönlichkeitszüge

Um zu verstehen welchen Stellenwert dysfunktionale Persönlichkeitszüge (abgeleitet aus ICD und DSM) wie

haben, sollten wir uns das einfache plausible Störungsmodell der Strategisch-Behavioralen Therapie SBT vergegenwärtigen (Abb. 3).

Abbildung 3: Biographie, Angst, Bedürfnis, Wut, Überlebensregel, Persönlichkeit und Symptombildung

Bedrohliche biographische Aspekte (bedrohliches Elternverhalten) führen nicht selten zu einer charakteristischen lebenslang anhaltenden Grundangst oder zentralen Angst. Am häufigsten sind dies Trennungsangst (wegen unsicherer Bindung zu Mutter und Vater) und Liebesverlustangst (wegen häufigem Liebesentzug aufgrund von nicht angepasstem Verhalten). Frustrierende biographische Aspekte bezüglich der kindlichen Grundbedürfnisse (häufig frustrierten Eltern das Bedürfnis nach Willkommensein, Geborgenheit, Schutz und Sicherheit, sowie nach Liebe, Beachtung, Verständnis und Wertschätzung) führen bei einem nicht verängstigten Kind zur Wut. Viele Eltern versuchen, diese im Keim zu ersticken, damit ihr Kind später ein akzeptables Mitglied der Gesellschaft wird und damit es für sie selbst nicht so anstrengend und stressvoll wird. Aus dem Elternverhalten resultiert ein kindliches Weltbild und spiegelbildlich ein kindliches Selbstbild. Es fügt beide zu der bereits beschriebenen Überlebensregel zusammen (dem inneren Arbeitsmodell Bowlbys (1975) entsprechend). Damit diese Überlebensregel nicht jeder konkreten Situation neu abgefragt werden muss, entwickeln wir habituelle Erlebens- und Verhaltensweisen, die uns im Vergleich mit anderen Menschen kennzeichnen und die ein relativ stabiles Cluster von Eigenschaften und Handlungstendenzen bilden, das wir Persönlichkeitszug oder Persönlichkeitsstil nennen. Unser Verhalten in bestimmten Situationen ist dadurch vorhersagbar durch unsere „Verhaltenssignatur“. (Mischel 1992, 2004, Mischel & Shoda 1994). Damit kommen wir ganz gut durch unsere Kindheit, jedoch um den Preis, dass unsere Stressbewältigungsstrategien unflexibel geworden sind. Da wir auch in schwierigsten Situationen unsere Überlebensregel einhalten müssen, können wir uns nicht ausreichend wehren und unsere Psyche muss als Notfallreaktion bzw. als Notbremse zur Symptombildung greifen. Durch diese Betrachtungen wird die Bedeutung dysfunktionaler Persönlichkeitszüge für psychische und psychosomatische Erkrankungen offensichtlich. Je stärker diese ausgeprägt sind, umso unflexibler ist unser Erleben und Verhalten und umso wahrscheinlicher ist eine Symptombildung. Der Persönlichkeitsfragebogen VDS30 (Sulz 2008) ist eine der im klinischen Kontext am häufigsten eingesetzten Skalen, deren Vorteil darin liegt, dass sie eine Verbindung zwischen dem dimensionalen psychologischen Persönlichkeitsmodell und dem kategorialen Modell von ICD und DSM herstellt. Faktorenanalytisch ergeben sich die in Tabelle 1 beschriebenen Persönlichkeitsstile.

Tabelle 1 Die neun Persönlichkeitsstile des VDS30-Persönlichkeitsfragebogens (aus Sulz & Sichort-Hebing 2018)

VDS30-StilMein Persönlichkeits-Stil Vorteile und Nachteile 
Bezeich-nungVorteil – funktional – positivNachteil – dysfunktional – negativ
SU: Zurückhaltend (Ich mache nichts was mich unbeliebt macht)Anderen fällt auf, dass ich mich zurückhalte und eher selten etwas sage. Ich überlege mir, bevor ich etwas ausspreche. Ich möchte niemand verärgern. Ich möchte nicht riskieren, dass andere mich ablehnen. Meine Zurückhaltung hilft mir, akzeptiert und ausreichend beliebt zu sein. Ich lasse anderen den Vortritt. Ich bin freundlich zu anderen. Ich kritisiere andere nicht. Bei einer Auseinandersetzung gebe ich um des lieben Friedenswillens nach. Dadurch gelingt es mir, keine Feinde zu haben.Ich brauche und erhoffe die Zuneigung anderer. Deshalb vermeide ich Streit und Auseinandersetzungen.Wegen meiner Zurückhaltung habe ich leider auch nicht viele Freunde. Die Leute haben zwar nichts gegen mich, aber sie werden auch nicht so richtig warm mit mir. Denn ich zeige auch nicht deutlich, wenn ich jemanden mag. Ich zeige auch nicht, wie gut ich etwas kann und eventuell besser kann als andere. Dadurch verhindere ich Neid und Eifersucht. Meine Fähigkeiten werden aber deshalb auch nicht erkannt. Es ist meine Angst vor Ablehnung und Verlust der Zuneigung, die mich hindert, mehr aus mir heraus zu gehen. Deshalb traue ich mich auch nicht, unbequeme Forderungen zu stellen oder Forderungen anderer abzulehnen. Ich vermeide immer wieder Kontakte und Veranstaltungen aus der Angst vor Ablehnung und Liebesverlust heraus.
Bezeich-nungVorteil – funktional – positivNachteil – dysfunktional – negativ
DE: Anhänglich (Ich bin anhänglich und passe mich an)Ich bin gern mit einem oder einigen Menschen zusammen, sodass ich mich nicht allein fühle. Es fällt mir leicht, mich an andere anzupassen. Ich übernehme gern die Interessen und Überzeugungen von Menschen, die ich für erfahrener, stärker oder klüger halte. In ihrer Gemeinschaft fühle ich mich wohler, als wenn ich alles selbstständig und allein meistern muss. Ich frage gern um Rat und lasse mir auch helfen. Beziehung und Gemeinschaft bieten wir Schutz und Geborgenheit. Dafür bin ich bereit, etwas für andere zu tun. Es macht mir nichts aus, unterlegen zu sein, denn der stärkere gibt mir Schutz und ich bin nicht allein. Ich brauche und erhoffe, dass jemand zuverlässig für mich da ist.Manchmal wäre ich doch gern etwas selbstständiger und fähiger, mit dem Alleinsein zurechtzukommen. Denn so bin ich doch abhängig von anderen Menschen. Auch bekomme ich nicht so viel Wertschätzung für das was ich bin und kann. Andere fühlen sich mir überlegen. Sie scheinen mich weniger zu brauchen als ich sie. Deshalb investiere ich viel mehr in die Beziehung, damit sie mir nicht verloren geht. Ich bin zwar bequem für den anderen aber nicht spannend und attraktiv. Meine Anhänglichkeit macht mich vielleicht zum Anhängsel, aber interessierte Zuwendung erfahren andere.Ich habe Angst vor Trennung, Verlassen Werden und Alleinsein. Deshalb vermeide ich Selbständigkeit
Bezeich-nungVorteil – funktional – positivNachteil – dysfunktional – negativ
Zw: Gewissen-haft (Ich erledige meine Aufgaben tadellos)Ich bin ein gewissenhafter Mensch. Meine Aufgaben und Pflichten erfülle ich so, dass es keine Beschwerden geben kann. Es ist mir wichtig, keine Fehler zu machen. Lieber arbeite ich etwas gründlicher, als es eigentlich sein muss. Wenn meine Arbeit fehlerfrei oder sogar perfekt ist, habe ich ein Gefühl der Genugtuung. Es ist mir ein Anliegen, dass alles bestmöglich erledigt worden ist. Andernfalls bleibe ich angespannt und unruhig, bis ich es doch geschafft habe. Andere schätzen meine Gewissenhaftigkeit. Man kann sich auf mich verlassen. Dafür fällt es mir leicht, auf Vergnügungen und geselliges Beisammensein zu verzichten. Ich erwarte von anderen, dass sie auch gewissenhaft und zuverlässig sind und zeige das auch. In meinem Wunsch nach Perfektem steckt auch ein Ehrgeiz und eine gute Portion Leistungsorientierung.Ich brauche das zuverlässige Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Ich habe Angst vor Fehlern und der kritischen oder strafenden Reaktion anderer. Deshalb vermeide oder verhindere ich so gut es geht Fehler oder unvollständige oder unperfekte Arbeit. Das bezieht sich auch auf mein Privatleben.Manchmal macht mich meine Gewissenhaftigkeit unfrei. Ich würde schon gern manchmal „Fünfe grad sein lassen“. Ich kann aber nicht anders. Halbfertige Arbeiten liegen zu lassen könnte ich nicht ertragen. Manche machen nur halb so viel wie ich und es reicht auch. Mein Aufwand ist wohl manchmal unangemessen hoch. Es gibt im Leben ja auch etwas anderes als Pflichterfüllung. Einfach genießen – das wäre manchmal schön. Ich gehe manchmal anderen mit meiner Gewissenhaftigkeit auf die Nerven. Da bin ich anders und zwar nicht sehr beliebt. Die anderen würden es mehr mögen, wenn ich mit Ihnen mehr ausgelassen sein könnte. „Lass das doch jetzt mal bleiben und kommt zu uns“. Meine Leistungsorientierung bringt mir zwar Erfolge, ist aber in der Gemeinschaft etwas Ungemütliches.Ich muss aber mindestens 100-prozentig sein. Am liebsten perfekt. Sonst bleiben meine Anspannung und Angst vor Fehlern und davor, für meine Fehler zur Rechenschaft gezogen zu werden. 
Bezeich-nungVorteil – funktional – positivNachteil – dysfunktional – negativ
PA: kritisch-wehrhaft (ich leiste innerlich Wider-stand)Ich bin nicht immer so. Aber ich merke ziemlich schnell, wenn jemand über mich bestimmen will und mir etwas aufdrängen will, wovon ich nicht überzeugt bin. Ich muss natürlich mit meinem Vorgesetzten zusammenarbeiten. Ich kann es mir nicht leisten, mit ihm dauernd zu streiten. Aber ich muss mir auch nicht alles gefallen lassen. Wenn er so wenig auf mich eingeht, dann mache ich notgedrungen, was er will. Aber nicht mit Begeisterung und Übereifer, sondern so, dass er mich nicht kritisieren kann. Ich bin dann aber nicht gut auf ihn zu sprechen. Das sage ich aber nur im kleinen Kreis von Vertrauten. Da kann ich schon ziemlich schimpfen und Luft rauslassen.Ich brauche einerseits, dass andere meine Grenzen respektieren und nicht ohne meine Zustimmung etwas von mir verlangen. Ich brauche andererseits, dass Frieden im Haus bleibt und wir einigermaßen miteinander zurechtkommen.Vielleicht wäre es besser, ich würde jedes Mal offen sagen was mir nicht passt. Oder ich würde versuchen einverstanden zu sein, mit dem was er möchte. Aber ich habe halt eine zweifache Angst: einerseits Angst vor eskalierendem Streit, andererseits Angst, dass der andere meine Grenzen überschreitet. In diesem Dilemma kann ich weder eine gute kooperative Beziehung herstellen, noch eine klare Gegnerschaft entstehen lassen mit offenem Schlagabtausch, der schließlich Klarheit schafft. Ich weiß, dass meine Haltung auf Dauer nicht gut für unsere Beziehung ist. Er hat das Gefühl, dass ich nicht auf seiner Seite bin und ihn unterstütze, sondern dass ich nur halbherzig mitarbeite. Aber es wäre doch auch seine Aufgabe, auf mich und meine Bedürfnisse einzugehen. Warum soll ich den ersten Schritt machen?
Bezeich-nungVorteil – funktional – positivNachteil – dysfunktional – negativ
HI:Gesellig (Ich bin gesellig, hole mir Beach-tung)Ich weiß, wie man Leute für sich gewinnt. Ich gehe offen und freudig auf andere zu. Ich spreche andere an. Ich führe mit anderen ein unterhaltsames Gespräch. Ich wecke das Interesse der anderen. Sie hören mir gern zu. Und ich zeige auch Interesse an dem was andere berichten. Bei Erzählungen ist es nicht so wichtig, dass sie genau sind. Sie müssen unterhaltsam und spannend sein. Und das kann ich. Dazu muss man manchmal ein bisschen übertreiben. Auch Gefühle etwas intensiver ausdrücken, sodass der andere beeindruckt ist. Im Mittelpunkt der Beachtung anderer fühle ich mich wohl. Das ist es was mir gut tut und was ich brauche.Für mich wäre es unerträglich, ein unbeachtetes Mauerblümchen zu sein. Neben meiner Fähigkeit mir Beachtung zu holen, habe ich auf die Fähigkeit schnell zu merken, wenn mir diese verloren geht. Da bin ich empfindlich. Dann übertreibe ich mehr – was Gefühle angeht und was Geschichten angeht. Das kann anderen dann zu viel werden und ich erreiche damit das Gegenteil von dem, was ich brauche. Da kann dann ein Teufelskreis entstehen, aus dem ich ohne ein schmerzliches Gefühl des Unglücks nicht herauskomme. Erst später beruhige ich mich wieder und merke, dass es nicht so schlimm war und ich mich nicht hätte so sehr aufregen müssen. Aber ich neige dazu, dem anderen weh zu tun, wenn er mich missachtet hat.
Bezeich-nungVorteil – funktional – positivNachteil – dysfunktional – negativ
SC:Einzel-gänger – Ich bin Einzel-gänger und nicht emotionalIch bin kein Einzelgänger, der anderen Menschen aus dem Weg geht. Ich komme gut mit anderen Menschen zurecht und bin kein Kauz. Aber ich bin unabhängig von anderen Menschen und brauche sie nicht wirklich. Ich fühle mich wohl, wenn ich allein etwas unternehme. Ich gehe keine nahen intensiven Beziehungen ein. Da würde ich mich eingeengt fühlen. Und ich mag auch nicht die großen Gefühle. Denen gehe ich aus dem Weg. Ich brauche nicht viele Freunde – einer reicht mir. Ich kann in einem vollen Lokal allein an einem Tisch sitzen und mich dabei wohl fühlen. Unter Leuten und doch für mich. Später werde ich wohl Familie – Frau und Kinder – haben wollen. Jetzt vermisse ich es nicht.Ich brauche Schutz vor zu viel Nähe und Beziehung. Ich brauche Raum für mich allein.Auch wenn ich mich allein am wohlsten fühle, ist doch eine gewisse Sehnsucht nach Beziehung da. Aber ich halte Beziehungen von mir fern, ebenso wie ich intensive Gefühle fernhalte. Es lebt sich einerseits ganz gut so, aber ich merke, dass andere Menschen wohl durch ihre Beziehungen ein erfülltes Leben haben. Das kann einerseits so bleiben, weil ich mich ja nicht unwohl fühle. Andererseits wäre ein reicheres Leben vielleicht doch schöner.Ich habe Angst vor zu viel Nähe in einer Beziehung und ich habe Angst vor intensiven Gefühlen, mit denen ich nicht umgehen könnte. Das ist eventuell der Grund, warum ich lieber für mich bleibe.
Bezeich-nungVorteil – funktional – positivNachteil – dysfunktional – negativ
NA:Bester (Ich will Bester sein, will Wertschätzung)Ich bin richtig gut. Bin eigentlich sehr gut. Einer der besten. Ich will Bester sein. Da stecke ich meine Energie rein und schaffe es auch. Ich bin so weit gekommen, dass ich etwas Außergewöhnliches kann und bin. Das muss andere einfach beeindrucken, so dass sie mich bewundern. Wenn ich etwas anpacke, wird etwas Besonderes daraus. Es gibt nur wenige Menschen mit so viel Begabung und Befähigung wie mich. Die meisten Menschen sind nicht zu solchen Leistungen fähig wie ich. Sie bleiben weit hinter mir zurück. Ich steche aus der großen Masse heraus. Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass ich einmalig bin. Ich brauche für meinen Selbstwert das Gefühl großartig zu sein, das ich durch die Bewunderung anderer Menschen erhalte.Leider kann ich mich nicht auf meinen Lorbeeren ausruhen. Ich muss mich anstrengen, um an der Spitze zu bleiben. Ich muss aufpassen, ob mich jemand überholt und übertrumpft. Da hilft es mir, dass ich sensibel auf Kritik reagiere. Allerdings macht mich schon kleine Kritik richtig fertig. Ich bin dann sehr gekränkt. Das lässt mich lange nicht los. Da muss ich wieder einen Triumph einfahren, als Gegengewicht. Als Beweis, dass ich doch nicht nur Durchschnitt bin. Mittelmaß zu sein, würde ich nicht aushalten. Das würde mein Selbstwertgefühl zerstören. Ich habe Angst davor, durch Mittelmäßigkeit ins Nichts abzustürzen, kein bisschen Selbstwert mehr zu haben, weil niemand mir mehr Wertschätzung gibt, niemand mich mehr bewundert.
Bezeich-nungVorteil – funktional – positivNachteil – dysfunktional – negativ
EI:Emotional (Ich bin meinen Gefühlen ausgeliefert)Meine Emotionen lassen mich die Welt, die Menschen und mich sehr intensiv erleben. Ich spüre sehr viel, erspüre was bei meinem Gegenüber abläuft, erkenne deshalb wie andere Menschen zu mir stehen. Und dies oft lange bevor die anderen verstanden haben, um was es Ihnen oder mir geht. Ich kann eine sehr schöne und nahe Beziehung herstellen. Eine Beziehung kommt, die mir und dem anderen sehr guttut. In sehr kurzer Zeit. Sodass wir nicht selten das gleiche fühlen und wollen. Anfangs fühle ich mich in der Beziehung so gut aufgehoben, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, wieder verlassen zu werden. Ich brauche und erhoffe einen Menschen, der mich niemals verlässt.Leider werden meine Beziehungen nach viel zu kurzer Zeit instabil. Ich bekomme dann Angst vor verlassen werden und reagiere so panisch, dass meine Bezugsperson das eines Tages nicht mehr aushält. Mein Kampf gegen das Verlassenwerden wird zu einem Kampf gegen meine Bezugsperson, zumindest fasst diese das so auf, weil ich so wütend werde. Ich kann meine Gefühle nicht im Zaum halten und reagiere oft kopflos. Meine Angst vor Verlassenwerden und Alleinsein führt vielleicht dazu, dass es wirklich geschieht. Manchmal trenne ich mich, um dem Verlassenwerden zuvorzukommen.
Bezeich-nungVorteil – funktional – positivNachteil – dysfunktional – negativ
PN:Misstrau-isch (Ich vertraue nicht)Weshalb sollte ich anderen Menschen Vertrauen? Irgendwann passiert es doch, dass jemand dem ich vertraut habe, sich gegen mich wendet oder mir schadet. Also rechne ich bei jedem Menschen damit, dass er etwas tun wird, was Vertrauensbruch ist. Ich bin gewappnet. Menschen sind so. Ich lasse mir nicht einreden, dass ich diesmal wirklich vertrauen könne. Weil ich so wachsam bin, merke ich sehr schnell, dass hinter dem Verhalten meines Gegenübers eine Gemeinheit, eine Verlogenheit, ein Betrug oder ein Angriff steckt. Ich brauche absolute Sicherheit, rechtzeitig eine Feindseligkeit entdecken zu können.Ich bedaure, dass es keine vertrauenswürdigen Menschen gibt. Und dass ich unentwegt auf der Hut sein muss. Wie soll ich da in Ruhe und Frieden leben können, wenn Menschen so sind? Leider habe ich keinen Anlass, eine gute Beziehung entstehen zu lassen. Ich leide darunter, dass es nur Menschen gibt, die mein Vertrauen missbrauchen würden. Dadurch bleibe ich vorsichtshalber für mich. Ich habe Angst davor, dass ich doch jemandem vertraue und dieser dann mein Vertrauen bricht.

Da nicht alle Menschen, die eine Depression, eine Angst- oder Zwangserkrankung oder eine andere psychische Störung entwickeln, dysfunktionale Persönlichkeitszüge im engeren Sinne haben, kommen noch zwei für das alltägliche Leben weniger problematische Persönlichkeits-Stile hinzu (Tab. 2), die durchaus Kompetenzen beinhalten und helfen, Leben und Beziehungen gut zu meistern. 

Tabelle 2 Zwei weitere vordergründig funktionale Persönlichkeitsstile (VDS30-Persönlichkeitsstile aus Sulz & Sichort-Hebing 2018)

Bezeich-nungVorteil – funktional – positivNachteil – dysfunktional – negativ
SS:stark und selb-ständig (Ich bin stark und brauche keine Hilfe)Ich habe in vieler Hinsicht Kompetenzen und eine ganz gute Lebenstüchtigkeit entwickelt. Ich bin zufrieden damit, wie mir vieles gelingt, sei es beruflich oder in meinen privaten Beziehungen. Ich kann gut mit Menschen umgehen und meisterte auch schwierige Situationen. Es ist mir wichtig, nicht schwach zu sein und noch wichtiger, keine Schwächen zu zeigen. Ich möchte nicht auf die Hilfe anderer angewiesen sein. Ich lasse mir nicht gern helfen. Ich begebe mich möglichst nicht in die Hände anderer, die mir Unterstützung geben wollen. Ich fühle mich stark, wenn ich anderen helfen kann. Ich brauche Selbstständigkeit.Wenn ich immer der Stärkere bin, wird unsere Beziehung ja doch einseitig. Immer bin ich derjenige, der die Verantwortung übernimmt. Eigentlich würde ich auch gerne mal schwach sein dürfen, sodass jemand auf eine gute Weise für mich sorgt und ich mich getragen fühle. Aber ich schaffe es einfach nicht, Schwäche zu zeigen und um Hilfe zu bitten. Ich schaffe es nicht einmal, mir selbst einzugestehen, dass ich jetzt jemand brauche, der für mich da ist. Erst wenn ich quasi am Boden liege und nicht mehr aufstehen kann, geht das. So viel Angst habe ich davor, schwach zu sein und Hilfe zu brauchen.
Bezeich-nungVorteil – funktional – positivNachteil – dysfunktional – negativ
KO:Voraus-schauend (Ich behalte die Kontrolle)Ich fühle mich richtig gut, wenn ich alles im Griff habe. Ich passe gut auf, dass ich die Kontrolle über das habe, was gerade geschieht. Wenn mir das gelingt, fühle ich mich souverän. Ich kann gut voraussehen, was passieren könnte. Deshalb kann ich Eventualitäten in meine Planungen einbeziehen. Da gehe ich auf Nummer sicher. Dazu gehört auch, dass ich andere Menschen gut einschätzen kann und weiß, wie sie reagieren werden. Ich überlasse nichts dem Zufall. Ich brauche die Gewissheit, dass nichts Unvorhersehbares passieren wird, sodass ich die Kontrolle verliere. Das gilt auch für mich selbst. Ich habe mich im Griff. Ich tue nichts Unkontrolliertes.Andere können so spontan sein, den Lauf der Dinge dem Zufall überlassen und es passiert ihnen nichts. Ich würde das nicht aushalten. Wenn ich Gefahr laufe, die Kontrolle zu verlieren, bekomme ich große Angst. Manchmal so, dass ich nicht mehr klar denken kann und dadurch schon die Kontrolle verliere. Meine Angst vor Kontrollverlust scheint mich doch sehr zu beherrschen sodass ich mir viele Freiheiten nicht nehmen kann. Ich kann auch nicht ausgelassen mit anderen sein, ohne einen Rest von Kontrolle zu bewahren.

Ihre Überlebensregel beginnt entweder mit

„Nur wenn ich immer stark und selbständig bin und niemals so schwach bin, dass ich Hilfe von anderen brauche …“

oder mit „Nur wenn ich immer vorausschauend bin und alles im Griff habe und niemals die Kontrolle verliere …“

Beide sind zwar kompetent, aber sie sind nicht so frei, dass sie ihre Kompetenzen pausieren lassen können. Sie müssen so kompetent bleiben und zwar pausenlos. Wehe sie schaffen das nicht, dann droht Depression oder eine andere psychische Störung.

Dysfunktionale Persönlichkeitszüge haben nicht nur auf die Entstehung psychischer bzw. psychosomatischer Symptombildung einen beträchtlichen Einfluss. Sie behindern auch die Psychotherapie und schmälern deren Ergebnis. Patienten mit höheren Skalenwerten des VDS30 brauchen länger, bis sie symptomfrei werden (Peters & Sulz 2018). Umso wichtiger erscheint eine sorgfältige therapeutische Arbeit mit der Überlebensregel, die ja befielt, z.B. selbstunsicher zu bleiben. 

Die Reaktionskette zum Symptom – der Prozess der Symptombildung

Der Prozess der Symptombildung lässt sich als eine Reaktionskette darstellen, die mit der symptomauslösenden Situation beginnt. Jedes Glied der Reaktionskette wirkt pathogen. Zugleich bietet jedes erkannte Glied eine Möglichkeit, therapeutisch die Weichen neu zu stellen, so dass kein Symptom resultiert. Es bieten sich also vielfache Interventionsmöglichkeiten. 

Sulz (2014) berichtet über Studien mit hundert ambulanten Patienten (Sulz et al. 2011a-d), bei denen die symptomauslösende Situation analysiert wurde. Ergebnis war, dass die Situation in 88 % der Fälle Ärger und Zorn auslöste. Dieses erste Gefühl nennen wir primäre Emotion. Dieses führt in 69 % der Fälle zu einem wehrhaften Handlungsimpuls, z.B. lautstark protestieren, dass der andere mich so behandelt. 12 % wollten ihr Gegenüber konfrontieren, d.h. aussprechen, was nicht in Ordnung ist. Diese anfängliche Verhaltenstendenz nennen wir primären Impuls, da er reflexhaft als Erstes auftritt und dafür sorgen soll, dass mein Gegenüber das frustrierende Verhalten beendet.

An dieser Stelle der Reaktionskette kommt die dysfunktionale Überlebensregel ins Spiel, da sie vehement eingreift und so viel Angst induziert, dass kein Mut mehr zur wehrhaften Handlungstendenz übrigbleibt. Bei je 28 % der Patienten löste die Überlebensregel Angst vor Trennung und Alleinsein bzw. vor Liebesverlust und Ablehnung aus. 16 % hatten Angst vor Kontrollverlust und 15 % Angst vor Gegenaggression. Wir sehen, dass hier die Überlebensregel das weitere Geschehen völlig bestimmt. Bei 89 % der Fälle führte die Vorhersage der Überlebensregel zu einer Weichenstellung, die dazu führte, dass wehrhaftes Verhalten unterdrückt wurde.

Stattdessen trat nun ein sekundäres Gefühl auf, das hiflt, die Überlebensregel einzuhalten: in 46 % Angst, Unruhe, Nervosität, Verunsicherung, in 32 % Hilflosigkeit, Ohnmacht, sich ausgeliefert fühlen, 9 % Schuld oder Scham und 8 % Traurigkeit, Einsamkeit oder Verzweiflung. Die körperlichen Begleitreaktionen waren häufig Pulsbeschleunigung, Anspannung und Schwächeempfinden.

Nun war der Weg frei für ein Vermeidungsverhalten, das die Überlebensregel erlaubte: 38 % Anpassung, Nachgeben, 20 % Flucht, Rückzug, aus dem Weg gehen, 13 % Nichtstun, Verstummen und 10 % Nähe herstellen sich auf den anderen freundlich zubewegen. Damit ist das resultierende Verhalten bei 86 % der Patienten der primären Emotion entgegengerichtet.

In der überwiegenden Zahl der Lebenssituationen läuft die Reaktionskette ohne Symptombildung ab. Durch das Nachgeben ist der Frieden gerettet und es kommt zu keinem Streit mit einer Eskalation, die z.B. zur befürchteten Trennung führt.

Also ist die Symptombildung nicht zwingend das letzte Glied der Reaktionskette. Nur wenn die Vermeidung nicht perfekt gelingt, wenn also noch Wut und Zorn da ist bzw. immer wiederkommt, muss zum Symptom als Notbremse gegriffen werden.  Also nur einige Male im Leben. Dass das sekundäre Gefühl z.B. Angst vor Trennung ein Fehlalarm ist und Wehrhaftigkeit gar nicht zur Beschädigung der Beziehung geführt hätte (vielmehr diese gestärkt hätte) ist außerhalb der Denkmöglichkeiten des Patienten. Deshalb kann er nicht anders als zum Symptom zu greifen. Alle Patienten unserer Stichprobe hatten ein Symptom gebildet, 56 % Depression, 16 % eine Angststörung, 8 % Zwänge und 7 % eine Anpassungsstörung.

Nach der Bedingungsanalyse kann nun eine Funktionsanalyse folgen, die nach Zweck und Funktion des Symptoms fragt. Diese ist von größter Bedeutung, da die Konsequenzen des Symptoms in der Regel negative Verstärkung darstellen und deshalb dieses aufrecht erhalten. „Das Symptom wird belohnt, weil es Schlimmeres verhindert und deshalb bleibt es da.“ Dies galt für 65 % der Patienten (z.B. die gefürchtete Trennung). Bei 14 % wurde durch das Symptom unmittelbar ein sehr aversiver Zustand beendet (der Partner hörte auf die Patientin zu schlagen) und bei 12 % trat ein positive Zustand ein (z.B. freundlich gewährende und unterstützende Zuwendung).

Noch anschaulicher wird unsere Analyse, wenn wir die strengen Gebote der Überlebensregel bei unseren Patienten ausfindig machen. Bei 28 % hat diese Anpassung gefordert, bei 9 % Zurückhaltung, bei 7 % Helfen und Geben, bei 6 % Unterordnen, bei 5 % Kontrolle bewahren, bei 4 % Harmonie, bei 4 % Perfektion etc.

Die Überlebensregel verbot folgendes Verhalten:

Bedürfnisse zeigen in 38 %

Wut zeigen in 33 %

Gefühle allgemein zeigen 18 %

Bedürfnisse haben 13 %

Wut haben 7 % 

Gefühle haben 2 %.

Diese Gebote und Verbote kanalisieren das erlaubte Verhalten so, dass in unserer Stichprobe

40 % eine selbstunsichere,

35 % eine histrionische,

29 % eine zwanghafte und ebenfalls

29 % eine dependente Persönlichkeit aufweisen.

Die Überlebensregel will die Befriedigung von Grundbedürfnissen sicherstellen. Bei unseren Patienten waren dies:

28 % Schutz, Sicherheit, Zuverlässigkeit

27 % Liebe

24 % Wertschätzung

20 % Geborgenheit

15 % Willkommensein

8 % Beachtung

4 % Selbstbestimmung und

3 % Verständnis.

Andererseits soll die Überlebensregel nicht verkraftbare Bedrohungen (Grundangst, zentrale Angst) fernhalten. Bei der vorliegenden Stichprobe drohte

57 % Liebesverlust#

53 % Trennung, Alleinsein

18 % Gegenaggression

10 % Kontrolle über mich verlieren

5 % Vernichtung

3 % Kontrolle über den anderen verlieren.

Ebenso wichtig wie die inhaltliche Formulierung der Überlebensregel ist ihre Macht über Erleben und Verhalten eines Menschen. Dazu stellen wir folgende Fragen (VDS35c, Sulz 2008) vor und nach der Therapie:

Abb. 4 zeigt eindrücklich einerseits den großen Einfluss vor der Behandlung und das Schwinden dieses Einflusses nach der Therapie.

Abbildung 4 Einfluss der Überlebensregel vor und nach der Therapie

Wir sehen, dass vor der Therapie die Überlebensregel für wahr gehalten wird, Erleben und Verhalten bestimm, einschüchtert oder Schuldgefühle macht beim Versuch, gegen sie zu handeln, weshalb nur selten entgegen ihrer Gebote und Verbote gehandelt wird und wenn dies doch gewagt wird, dieses neue Handeln nicht gelingen mag.

Nach der Therapie ist ihr subjektiver Wahrheitsgehalt geschwunden, weshalb sie weniger das Verhalten bestimmt und weniger einschüchtern und Schuldgefühle machen kann. Das führt dazu, dass jetzt öfter da Gegenteil dessen getan wird, was sie fordert und dies dann auch viel mehr gelingt.

Kurzum: die Überlebensregel ist nach der Therapie entmachtet. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die Ausprägung der dysfunktionalen Persönlichkeitszüge signifikant abgenommen hat (Effektstärke 1.04). Auch das Therapie-Outcome insgesamt (Veränderungsfragebogen zur des Erlebens und Verhaltens VEV) korreliert hoch signifikant mit der Abnahme der Gültigkeit der Überlebensregel.

Die hier berichteten empirischen Ergebnisse sprechen für die Evidenz der dargestellten theoretischen Konstrukte, auch wenn es uns im Wesentlichen um ihren heuristischen Nutzen geht.

Entwicklungshemmung durch belastende Kindheitserlebnisse

Allein die Tatsache, dass das menschliche Gehirn bei der Geburt noch nicht voll funktionsfähig ist, und sogar noch in der Pubertät und Jugendzeit noch umfangreiche Entwicklungsprozesse stattfinden, zeigt uns, dass neben Erfahrung und Lernen noch eine angeborene Tendenz zum Wachstum und zur Weiterentwicklung den Werdegang eines jeden Menschen prägen.

Nur das limbische System, das unsere Emotionen steuert, ist in den ersten zwei Lebensjahren weitgehend entwickelt. Dagegen sind die kognitiven Funktionen des Präfrontalen Cortex erst mit fünf Jahren umfänglich verfügbar. 

Die psychische Entwicklung wie sie Jean Piaget (1978, 1995) untersucht und beschrieben hat, läuft parallel zur neurobiologischen Entwicklung, die diese ja erst möglich macht. Wenn wir die Psyche des erwachsenen Menschen analysieren wollen, bräuchten wir eigentlich nicht unbedingt auf die Entwicklungsstufen der Kindheit eingehen – wenn diese nicht doch auch im Erwachsenenalter auffindbar wären. Dies ist dadurch zu erklären, dass widrige Umstände in der Kindheit die Psyche des Kindes so sehr belasten, dass dieses in seiner Entwicklung gehemmt wird. Ein Kind, das ständig Angst vor der Gewalt der Eltern hat, ist mit dieser Bedrohung so sehr beschäftigt, dass es z.B. seine Emotionsregulierung bzw. Affektsteuerung nicht entwickeln kann. Wer seine Affekte nicht im Griff hat, tut sich in sozialen Gemeinschaften sehr schwer und kann seine vorhandenen Begabungen auch nicht zu manifesten Kompetenzen werden lassen. Die Entwicklungsstörung ist stets nur partiell, d.h. begrenzt auf einzelne exekutive Funktionen (soziale Wahrnehmung und kognitive Interpretation von sozialen Situationen) und auf einzelne psychosoziale Kontexte (z.B. Verhalten gegenüber Autoritäten oder in nahen Beziehungen) begrenzt. Wir können also im beruflichen Bereich sehr weit entwickelt sein, in der Partnerschaft aber nicht. Die von Piaget (1978, 1995) beschriebenen Stufen der kognitiven und emotionalen Entwicklung können wir vereinfacht so wiedergeben (Gräff-Rudolph & Sulz 2017, Sulz & Gräff-Rudolph 2017):

Die Zeitangaben sind nur sehr grobe Richtwerte. Jedes Kind hat ein anderes Entwicklungstempo. Empathiefähigkeit tritt oft erst in Vorpubertät und Pubertät auf. Wegen der häufigen Störungen der Entwicklung müssen wir davon ausgehen, dass unsere Patienten nur wenig empathiefähig sind. Wir dürfen Freundlichkeit nicht mit Empathie verwechseln. Diese Aussage passt zu der Faustformel, dass unsere Patienten in dem problematischen Lebensbereich, in dem es zur Symptombildung kam, höchstens auf der AFFEKT-Stufe sind. Sie können das symptomauslösende Problem noch nicht logisch durchdenken, sie können eigenes Verhalten nicht auf seine Ursachen zurückführen und können die Auswirkungen ihres Verhaltens nicht realistisch genug einschätzen. Vor allem können sie ihre Affekte noch nicht steuern. Die einen sind sehr impulsiv, die anderen haben so viel Angst, dass sie ihre Impulse ständig unterdrücken (das ist aber keine eigene Steuerungsfähigkeit – sie sind angstgesteuert). Es wäre falsch, ihm gleich auf die übernächste Stufe zu helfen, so dass er empathiefähig wird. Stattdessen helfen wir ihm nur auf die nächsthöhere (DENKEN-)Stufe, so dass er einen gesunden Egoismus entwickeln und klug mit anderen Menschen umgehen kann. Erst wenn er diese Errungenschaft lange genug sein eigen nennt, kann er den Schritt auf die EMPATHIE-Stufe machen, wo er einerseits seine Gefühle so zeigen kann, dass sein Gegenüber eine Chance hat, empathisch zu sein, und er andererseits sich in den anderen hineinfühlen und Mitgefühl mit diesem haben kann.

Von der AFFEKT-Stufe aus entwickelt sich der Mensch mental. Er kann sich Gedanken über Gefühle und Gedanken (seine eigenen und die des anderen) machen. Diese Metagedanken nennt man Metakognition oder Mentalisierung (Fonagy 1997, Fonagy & Bateman 2008, Sulz 2010). Er versteht psychosoziale Zusammenhänge und interpretiert diese richtig. Auf die Dauer entwickelt er so eine Theory of Mind (TOM) oder Theorie des Mentalen, durch die er sozial erfolgreich sein kann. Dies gelingt ihm wenn er durch die Entwicklungsschritte auf die DENKEN- und auf die EMPATHIE-Stufe die Fähigkeit zur Affektregulierung erworben hat. Sie ist die Schlüsselkompetenz, die fehlte, als es zur Symptombildung kam und die notwendig ist, damit die Psyche künftig auf Symptome verzichten kann. 

Wir können also zusammenfassen, dass Patienten, die psychische oder psychosomatische Symptome bilden, eine Entwicklungsstagnation erfahren mussten, die dazu führte, dass sie es in wichtigen zwischenmenschlichen Bereichen nicht geschafft haben, sich kognitiv und metakognitiv weiter zu entwickeln, so dass sie ihre Affekte steuern und regulieren können. Stattdessen können sie nur affektiv reagieren, nur impulsiv sein oder aus lauter Angst, ihre Impulse unterdrücken. Mangels kausalem Denken und realistischer Theory of Mind können sie ihre Beziehungsprobleme nicht lösen und bilden Symptome. Diese von Piaget (1978, 1995) abgeleitete ätiologische Theorie ist in ihren Grundzügen deckungsgleich mit der Theorie des Mentalisierungsansatzes von Fonagy und Mitarbeitern (2008, siehe auch Sulz, 2010).

3. Praxis

Es ist zwar möglich, ohne sich diese Grundlagen anzueignen, gleich mit der störungsspezifischen Therapie der Depression, der Angst, der Alkoholkrankheit oder des chronischen Schmerzes zu beginnen. Aber die Therapie läuft eher rund, wenn die hier beschriebenen Basiskompetenzen und die Basisstrategie beherrscht werden. Wer also nach dem erstmaligen Verwenden z.B. der störungsspezifischen Sprechstundenkarten PKP Depression merkt, dass die allgemeine Anwendung von Psychotherapie, speziell der Verhaltenstherapie unklar geblieben ist, kann mit Hilfe dieser Grundlagen mehr Sicherheit gewinnen.

Hier soll noch einmal das PKP-Sprechstundenkarten-Therapieprinzip zusammengefasst werden.

Wir gehen auf folgende Themen ein:

A.        Das Konzept der PKP: 3 Säulen (Symptomtherapie – Skills Training -Motive)

B.         Patientenaufnahme – Befunderhebung, Anamnese und Diagnose

C.         Problemanalyse sowie Situations- und Verhaltensanalyse

D.         Therapiedurchführung          1. Säule: Umgang mit dem Symptom

E.         Therapiedurchführung           2. Säule: Fertigkeitentraining

F.         Therapiedurchführung           3. Säule: Motivklärung und Überlebensregel

G.        Praxisleitfaden            Handhabung des Kartensets 

H.        Ablauf einer Sprechstunde/Therapiesitzung

J.         Situations- und Verhaltensanalyse auf Makro- und Mikroebene

J.         Verhaltenssteuerung durch kurz- und langfristige Verstärkungen

Literatur

Liste der Therapie-/Sprechstundenkarten

Abbildung 3.1 Sprechstundenkarten (Beispiel PKP Alkohol)

A. Das Konzept der Psychiatrischen Kurz-Psychotherapie (PKP) mit Therapie-/Sprechstundenkarten

PKP verfolgt eine systematische Therapiestrategie mit Hilfe von aneinander gereihten Therapie-/Sprechstundenkarten (SSK) als Fortsetzungsserie von kurzen psychiatrischen  und psychotherapeutischen Interventionen. Konzeptuelle Basis ist das 3-Säulen-Modell der Strategischen Kurzzeittherapie: Symptomtherapie (psychiatrisch), Fertigkeitentraining (verhaltenstherapeutisch), Persönlichkeitsentwicklung (psychodynamisch). Die Therapie-/Sprechstundenkarten beinhalten kurze (10-25minütige) Interventionen, die den gängigen Abrechnungstaktungen genüge leisten (EBM, GOÄ, OPS). Internationale Klassifikationen, Leitlinien und  anerkannte evidenzbasierte Methoden werden berücksichtigt. Die Anwendung ist sehr flexibel:

  • 20-Minuten-Sprechstunde: eine Therapie-/Sprechstundenkarte
  • 50-Minuten-Therapiestunde: zwei Therapie-/Sprechstundenkarten
  • 100-Minuten-Gruppenstunde: zwei Therapie-/Sprechstundenkarten 

Die Therapie-/Sprechstundenkarten können von einer einzelnen TherapeutIn oder durch ein Team bearbeitet werden (PKP-Logo: Stabübergabe). Sie bedienen einen Leitfaden für Patientenkontakte über mehrere Termine, ebenso Dokumentationsverpflichtungen, Supervision und Ausbildung durch Theorieausführungen auf den Rückseiten. Sie können beliebig mit eigenen Schwerpunkten durch Ergänzung selbst erstellter Karten erweitert werden. Die THERAPIEKARTEN ermöglichen die transparente Integration mehrerer Therapeuten des den Patienten behandelnden Teams durch Bearbeitung  jeweils verschiedener THERAPIEKARTEN-Serien mit in sich geschlossenen Einheiten (Module oder Submodule, wie z. B. Psycho-Edukation durch ärztliches Personal und Aktivitätenaufbau durch Pflegepersonal) ohne Verlust des Gesamtkonzepts. 

Zu Therapie-Ende liegt je Patient ein PKP-Ordner in Papierform (oder aktuell noch in Bearbeitung digital) vor: für den Patienten als Selbsthilfebuch bzw. dem Therapeuten als Behandlungs- und Dokumentationsnachweis.

B. Patientenaufnahme – Befunderhebung, Anamnese und Diagnose       Modul Patientenaufnahme (Autorenschaft B. Deckert)

Dieser Grundkurs ist so aufgebaut, dass die TherapeutIn von der ersten Begegnung mit dem Patienten an bis zum Abschluss der Therapie durch alle wichtigen Schritte der Diagnostik und Behandlung geführt wird. Bereits der Erstkontakt kann von „Einsteigern in Psychiatrie und PT“ mithilfe des Kartensets „Patientenaufnahme“ strukturiert erfolgen. Nach dem Erstgespräch mit Erhebung der Anamnese und des Psychopathologischen Befundes erinnern Karten an die Durchführung von Testpsychologie, Erstellung eines Notfallplans  und an die Aufklärungspflicht. Die letzten Karten bieten eine Übersicht für die gängigen Entstehungsbedingungen und Störungsmodelle.

C. PKP Problemanalyse sowie Situations- und Verhaltensanalyse

Auch wenn es anfangs mühsam erscheint, ein systematisches Verständnis der Symptomentstehung und -aufrechterhaltung zu erarbeiten, wird rasch deutlich, wie wertvoll für Patient und Therapeut es ist, immer wieder auf dieses Verständnis (plausibles Störungsmodell) zurückgreifen zu können, um die Orientierung im Therapieprozess zu bewahren und einen effektiven Weg auf das Therapieziel zu begehen.

1. Situations- und Verhaltensanalyse

  • Profil des Patienten: Welcher Patient – in welcher Lebenssituation entwickelte welches Symptom, um was zu verhindern? 
  • Die Symptom auslösende Lebenssituation 
  • Situativ ausgelöst: Reaktionskette bis zum Symptom 
  • Die das Symptom aufrechterhaltenden Konsequenzen/Wirkungen des Symptoms 
  • Merkmale der Person, die dazu führen, dass sie ein Symptom bildet anstatt sich zu wehren (Organismusvariable O) – Dysfunktionale Persönlichkeitszüge und Überlebensregel
  • Das SORKC-Schema als Zusammenfassung der Verhaltensanalyse des Symptoms 

2. Zielanalyse

  • Die Zielanalyse: Von der Störung zum Ziel
  • Zielanalyse Beispielfall

3. Therapieplan

  • Dreierschritt Störung – Ziel – Therapie allgemein
  • DER BEHANDLUNGSPLAN im Dreierschritt 1. Störung, 2. Ziel, 3. Therapie fallspezifisch

D. PKP Therapiedurchführung          1. Säule: Umgang mit dem Symptom

Die erste Säule der Therapiedurchführung wendet sich dem Hauptanliegen des Patienten zu, seine Symptome in den Griff zu bekommen. Das beginnt mit Symptomverständnis und endet mit der Rückfallpropyhlaxe:

  • Mein Störungsmodell: Wozu mein Symptom entstand und weshalb es nicht verschwindet
  • Reaktionskette zum Symptom: So kam es bei mir zur Symptombildung – 
  • Entscheiden, wo die Therapie am effektivsten einsetzt
  • Die primäre Emotion wahrnehmen lernen
  • Den primären Handlungsimpuls bewusst verantwortlich steuern lernen
  • Die Folgen der intendierten Handlung realistisch einschätzen lernen 
  • Das sekundäre gegensteuernde Gefühl ignorieren lernen 
  • Den Körper nutzen für ein gutes Selbstgefühl 
  • Meisterndes Verhalten aufbauen
  • Mit dem Symptom umgehen lernen
  • Mit dem Symptom umgehen: Symptomkonfrontation 
  • Rückfallprophylaxe  als Bestandteil der Symptomtherapie 
  • Erkennen Rückfall auslösender Situationen 
  • Erkennen früher Rückfall-Reaktionen
  • Rückfallprophylaxe durch Lebensgestaltung
  • Rückfallprophylaxe durch neue Beziehungsgestaltung 

E. PKP – Therapiedurchführung        2. Säule: Fertigkeitentraining

Die zweite Säule unterstützt den Aufbau von Fertigkeiten auf kognitiver, emotionaler und Handlungsebene. Dieses Modul enthält eine Auswahl bewährter Interventionen, die bei vielen psychischen Störungen wirksam eingesetzt werden können:

1. Tagesplanung, Aktivitätenaufbau

2. Entspannungstraining 

3. Bewegung und Sport 

4. Soziale Kompetenz 

5. Kommunikative Kompetenzen in wichtigen Beziehungen 

6. Problemlösen – praktisches Vorgehen 

7. Kognitives Training – Analyse des bisherigen Verhaltensproblems 

8. Selbstinstruktionstraining – praktisches Vorgehen 

9. Imaginationen – praktische Anwendung 

10. Genusstraining 

11. Meine Gefühle und Umgang mit meinen Gefühlen

12. Selbständigkeitstraining 

13. Paarübung Verwöhnen und verwöhnen lassen

14. Empathie-Übung 

Ziel ist es, dem Patienten, Fähigkeiten und Fertigkeiten (Skills) verfügbar zu machen, die es ihm ermöglichen, psychosozial schwierige Situationen ohne Symptombildung zu meistern.

F. PKP Therapiedurchführung          3. Säule: Persönlichkeitsentwicklung/Motivklärung

Die Karten der 3. Säule lösen die der Therapie entgegenstehenden Motive des Patienten auf und stärken seine Veränderungsmotive. Das ist die Arbeit mit den Verhalten steuernden, zentralen Gefühlen (Angst, Ärger, Wut,Trauer), zentralen Bedürfnissen und dysfunktionalen Persönlichkeitszügen.  Es wird die dem Persönlichkeitszug eigene Überlebensregel (der seit Kindheit verinnerlichte Oberplan seines Lebens)  anhand der Lerngeschichte erarbeitet. Die 3. Säule endet mit der neuen Erfahrung des Patenten  „Leben statt Überleben“: durch das geübte Leben verliert das Symptom seine Funktion.

Säule 3 Von der dysfunktionalen Überlebensregel zur Erlaubnis gebenden Lebensregel

Erarbeiten der Überlebensregel:

Zentrale Bedürfnisse des Patienten

Die zentrale Angst des Patienten

Persönlichkeitszüge angelehnt an ICD-10

Lerngeschichte

Die Überlebensregel formulieren

Vertrag: Entgegen der Überlebensregel handeln

Leben statt überleben

Meine neue Erlaubnis gebende Lebensregel

Dem Patienten kann nun folgendes plausible Störungsmodell angeboten werden:

Ein Denkmodell psychischer und psychosomatischer Störungen – wie Symptome entstehen können

Die Wechselwirkung zwischen den Eltern mit ihrem Elternverhalten und dem Kind mit seinen angeborenen Eigenschaften und seinem Temperament  führt neben Befriedigungen auch zu Frustrationen und Bedrohungen, die bestimmte Bedürfnisse bleibend in den Vordergrund rücken lassen, z.B. das Bedürfnis nach Geborgenheit oder das Bedürfnis nach Beachtung. Sie führt auch dazu, dass ein Mensch dauerhaft auf die Vermeidung spezifischer Bedrohungen bzw. Ängste achtet und so ein individuelles Profil an Vermeidungshandlungen aufbaut. Ein weiteres wichtiges Ergebnis seiner Kindheit ist dann die Hemmung seiner Gefühle und seiner aggressiven Tendenzen den Mitgliedern seiner sozialen Gemeinschaft gegenüber. Der Inhalt der Wuttendenzen ist charakteristisch für einen Menschen und ist ebenfalls Ergebnis der Wechselwirkung zwischen Eltern und Kind bzw. zwischen ihm und anderen wichtigen Bezugspersonen (z.B. Bruder, Schwester, Großeltern). Die Dauerblockade der Wut- und Angriffstendenz ist eine wichtige Aufgabe der Selbstregulation. Viele Menschen gehen dabei so weit, dass sie selbstunsicher und ängstlich werden. Die psychische Homöostase (ein Regelkreis, der versucht, alles ins Gleichgewicht zu bekommen) kann als Regelwerk verstanden werden und die wichtigste Regel ist die, die das Überleben sichert. Die Abläufe sind vorbewusst, d.h. die willkürliche (bewusste) Psyche weiß von diesen Zusammenhängen nichts.

Meist geht es in Beziehungen nur um das emotionale Überleben, d.h. um das Verhindern von psychischen Schädigungen. Eine in der Kindheit optimal auf die soziale Umwelt zugeschnittene Überlebensregel wird, wenn sie nicht verändert wird, im Erwachsenenleben aber untauglich (dysfunktional). Patienten haben dysfunktionale Überlebensregeln, die dafür sorgen, dass ihr Erleben und Verhalten nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt, d.h. dem betreffenden Menschen zum Nachteil gereichen. Zudem verhindern sie auch, dass die Beziehungen ihres Erwachsenenlebens stützend und befriedigend für beide Seiten bleiben. Damit haben wir es in unseren Betrachtungen zunächst mit den Persönlichkeitszügen zu tun, die Erfolge verhindern. Die Überlebensregel und die durch die Persönlichkeit festgelegten unteroptimalen Erlebens- und Verhaltensstereotypien schränken das aktive Verhaltensrepertoire eines Menschen zum Teil erheblich ein. Dadurch ist er schwierigen Problemen weniger oder nicht gewachsen. Die auslösende Lebenssituation kann z.B. nur durch Symptombildung beantwortet werden. Erlebens- und Verhaltensweisen, die zur Meisterung des Problems geführt hätten, sind verboten. Sie würden die Überlebensregel verletzen und das emotionale Überleben gefährden. Welche Lebenssituation zur Symptombildung führt, ist somit auch durch die Persönlichkeit des betroffenen Menschen festgelegt. Eine therapeutische Veränderung dieser Persönlichkeitszüge und Verhaltensweisen hat deshalb einen hohen Stellenwert in der psychotherapeutischen Zieldefinition und Behandlungsplanung.

G. PKP Praxisleitfaden           Die Handhabung des Kartensets 

PKP versucht, den Therapieprozess einer zielorientierten Psychotherapie (in der Richtlinien-Psychotherapie mit 50 Minuten-Einheiten) auf kürzere Einheiten mit 10 bis 25 Minuten umzuformatieren. Diese entsprechen den gängigen Taktungen von EBM, GOÄ, OPS . So ist eine Serie von Sprechstunden oder Visitengesprächen entstanden, die es erlauben, am Ball zu bleiben und den roten Faden in der Hand zu behalten. Jeder Kontakt mit dem Patienten dient dem Schritt voran auf dem Weg zur Zielerreichung. Beim nächsten Besuch des Patienten wird (genau) an der Stelle weitergearbeitet, an der beim letzten Mal aufgehört wurde. Sowohl für den Patienten als auch für den Psychiater/Psychotherapeuten ändern sich dadurch die Beziehung und die Behandlung. Es entsteht viel deutlicher als zuvor ein Ziel, an dem gemeinsam gearbeitet wird: an dem beide arbeiten, nicht nur die TherapeutIn. 

Zeitweilig, gerade beim Krankheitsverständnis kann es sein, dass Sie mehrere Karten in einer Stundebearbeiten können – wenn der Patient rasch den Aussagen folgen kann. Später wird es umgekehrt sein, dass Sie gerne mehrere Sitzungen für ein Kartenthema verwenden wollen. Einige Karten werden Sie weglassen, weil Sie oder der Patient mit diesem Thema oder der Art der Themenaufarbeitung nichts anfangen können. Oder einfach aus Gründen der Zeitknappheit. Die Karten erleichtern ein flexibles Vorgehen. Sie können bei einigen Patienten kleinschrittig und bei anderen in größeren Schritten vorgehen und benötigen dann weniger Karten. Manchmal merken Sie, dass Sie das Thema einer Karte schon mit der vorigen ausreichend bearbeitet haben. Deshalb überspringen Sie diese.

Wenn Sie beharrlich den Weg der Module und Submodule verfolgen, gehen sie dennoch einen kurz- und mittelfristig wirksamen Weg. Dabei ist diese Arbeit mit Karten keineswegs oberflächlich. Sie sorgen dafür, dass der Patient immer mehr in eine Bereitschaft kommt, in dem Sie auch tiefer liegende Themen mit ihm besprechen können. Es finden intensive Begegnungen mit Emotionen und Beziehungen statt – in einer hoffentlich ausreichend wirksamen Weise, so dass weniger Symptomatik übrigbleiben muss.

Die meisten Karten-Vorderseiten dienen als Kopiervorlage für den Patienten. Der Patient füllt je nach Thema gleich in der Sitzung die bei Bedarf für ihn kopierte Karte aus oder er fertigt zuhause Protokolle an. 

Die Rückseite der Therapie-/Sprechstundenkarte enthält Erläuterungen zum praktischen Arbeiten mit der vorliegenden Karte oder Hinweise zum theoretischem Hintergrund. Sie unterstützt somit Ausbildung und Supervision.

Das Therapiemanual im A4-Format enthält oben die Vorderseite der Therapiekarte und unten die Rückseite. Das ist sehr übersichtlich und dem Patienten kann die ganze Seite fotokopiert gegeben werden – zum Verständnis, zur Vertiefung und zum Bearbeiten.

HPKP Praxisleitfaden           Vorschlag zum  Ablauf der Sprechstunde/Visite 

Die Karteimappe bzw. der Karteikasten liegt/steht  auf dem Schreibtisch des Therapeuten.

Die anvisierte Therapiesitzungsdauer für PKP ist 20 bis 25 Minuten, kürzere Einheiten von 10 Minuten sind möglich. Jede Minute ist kostbar – während der Patient ganz viel Zeit bräuchte und wollte. Versuchen Sie, die Ihnen verfügbare Zeit (streng) einzuhalten und nicht zu überziehen, indem Sie zu Beginn den für das Gespräch verfügbaren Zeitrahmen angeben. Der Patient lernt schnell, sich auf diese Zeit einzustellen. Was keinen Raum mehr gefunden hat, wird beim nächsten Mal besprochen. 

Schlagen Sie im Erstgespräch dem Patienten das therapeutische Vorgehen mit PKP vor:

„Ich schlage vor, dass wir uns vorerst engmaschiger sehen. Wir können jeweils ein 10 bis20-minütiges Gespräch führen, das eine Psychotherapie ist. Wir wissen heute, dass Psychotherapie bei fast allen psychischen Erkrankungen eine unverzichtbare Behandlung ist.  Die Zeit ist sehr kurz und wir müssen sie gut nutzen. Deshalb werden wir nicht nur bei Ihren akuten Beschwerden und Problemen bleiben können, sondern müssen diese  in einen größeren Zusammenhang Ihrer Erkrankung einordnen. Dazu bearbeiten in jeder Sitzung ein therapeutisches Thema, das für die Überwindung der Symptome sehr wichtig ist. Dienlich ist dazu das Ausfüllen von Projektkarten zum jeweiligen Thema. So bekommen Sie gedankliche Klarheit über Ihre Erkrankung und die erforderliche Psychotherapie.

Noch bevor unser Gespräch hier in der Praxis/Visite beginnt, füllen Sie einen Kurzbericht bzw. kopierte KARTE, z. B. eine Projektkarte, zum aktuellem Thema  aus, indem Sie alles Erwähnenswerte der vergangenen Woche/n bzw. zum laufenden Projekt festhalten. Sie stimmen sich damit schon auf unser Gespräch ein und wir können einen zuverlässigen Überblick gewinnen, damit wir nichts Wichtiges übersehen. Am Ende unseres Gesprächs werde ich Sie bitten, zwischen unseren Treffen möglichst täglich etwas zu tun, das hilft, die Symptome durch wirksames Verhalten zu ersetzen. Wenn man nichts tut, geschieht auch nichts. Vielleicht ist es mühsam, aber wir müssen das anpacken, was hilft, Ihre Symptome in den Griff zu kriegen. Sind Sie mit diesem Vorgehen einverstanden?“

Wenn der Patient einverstanden ist, kann ihm bereits eine Fotokopie der Karte 2 „Welche Symptome habe ich? (Einfach alle Symptome aufzählen. Bitte je Zeile nur ein Symptom nennen …) mit nach Hause gegeben werden.

Der Patient hat also bei den nächsten Terminen seine Hausaufgabe nach der letzten Stunde erfüllt: er hat zuhause/im Wartezimmer einen Kurzbericht über die Geschehnisse und Unternehmungen der letzten Woche oder für das Thema eigens kopierte KARTE bzw. die Projektkarte Nr. A8 ausgefüllt So nutzt der Patient die Zwischenzeit, um sich auf das bevorstehende Gespräch einzustellen. 

Begrenzen Sie die Zeit für den Kurzbericht/HA im Normalfall  auf wenige Minuten. Manche Themen lassen sich auf das nächste Mal verschieben. Ein akuter Notfall nicht und  führt zum Weglegen der heute geplanten Therapie-/Sprechstundenkarte. Der Therapeut möchte dem Patienten ganz aktuell helfen und ein Feuer löschen. Dadurch wird die Sprechstunde zur Krisen-Intervention, siehe Karten des Basismoduls „Aufnahme Karte 6R und 7, Krisenplan„. Aber die Patienten bringen fast jedes Mal einen Bericht mit, der zum Feuer löschen verleitet: Wenn keine akute Krise vorliegt, sondern die Probleme des Patienten in ein immer wiederkehrendes Muster einzuordnen sind, dann entscheidet der Therapeut, das zu tun, was mittel- und langfristig dem Patienten mehr hilft als ein wiederholtes Feuer löschen (z. B. Angst-Exposition bei wiederkehrenden Selbstbehauptungs-Problemen). 

Der Arzt/Therapeut eröffnet die Arbeit mit den Karten: „ Unser heutiges Thema ist …………………….“ Er erklärt, um welches Thema (Modul/Submodul) es geht und bespricht mit dem Patienten den Inhalt der KARTE dieses Themas. Er geht dabei sehr auf positive, nicht symptomatische Äußerungen des Patienten ein. So kann eine gemeinsame Phantasie entstehen, die ein hilfreiches Verständnis des Themas beinhaltet und ein Plan, wie das Thema im Leben des Patienten umgesetzt werden kann. Zu Ende der Sprechstunde werden erneut  Hausaufgaben  so geplant, dass Situation, beteiligte Personen, Tag und Uhrzeit möglichst festgelegt werden und  der Patient wird gebeten, seinen Entschluss auszusprechen, dass er das besprochene Vorhaben anpacken wird, dass es sein fester Wille ist. 

Der Patient befasst sich bis zur nächsten Sitzung  mit dem Thema und sei es nur, täglich fünf Minuten über das Thema nachzudenken und die gemeinsamen  Gedanken in Erinnerung zu rufen. Wenn das Thema der Therapie-/Sprechstundenkarte noch nicht abgeschlossen ist, wird in der nächsten Sprechstunde daran weiter gearbeitet, also nicht von Karte zu Karte fortgeeilt. 

Der Patient arbeitet so auch in der Zwischenzeit aktiv mit – gedanklich und handelnd, seinen durch die Erkrankung begrenzten Möglichkeiten entsprechend. Er ist  gefordert, seinen Beitrag zu leisten.. Er wird emotional, kognitiv und handelnd mobilisiert und Widerstände werden in der therapeutischen Beziehung ausgetragen und für die Beziehungsarbeit genutzt. 

I.          Verhaltensanalyse     auf Makro- und Mikroebene

Früher hat die Verhaltenstherapie Reaktionen nur auf der Mikroebene erklärt. D. h. es wurde nur eine ganz konkrete beobachtbare Situation betrachtet wie die Fahrt in der U-Bahn, so dass sich folgendes Situation-Reaktion-Konsequenz-Kette ergab (S-R-C):

  • Situation S: U-Bahn
  • Reaktion R1: Panikattacke
  • Reaktion R2: Flucht
  • Konsequenz C: Angst hört auf

Dabei wurde S (U-Bahn) als klassisch konditionierter Stimulus definiert, der die Reaktion R1 (Panik) auslöst. Die zweite Reaktionskomponente R2 (Flucht) ist nicht klassisch nach dem Reiz-Reflex-Mechanismus (Stimulus-Response) konditioniert, sondern ist ein operantes Verhalten, das ein Operation erfüllen soll, die mit einer positiven Wirkung bzw. Konsequenz verknüpft ist. Es wird operant verstärkt durch seine sofortige (kurzfristige) Konsequenz C: Nachlassen der Angst. 

Der Vorteil der Verhaltensanalyse auf Mikroebene ist, dass Situation und Reaktion genau beobachtet und untersucht werden können. Welcher Situationsaspekt ist es genau, der zur Panik führt – z. B. die fehlende freie Beweglichkeit?  Welche ähnlichen Situationen lösen weniger Angst aus – z. B. Fahrt mit der Straßenbahn oder dem Bus? Entlang welcher Dimension nimmt also die Angst zu oder ab? In Übungen zur Angstbewältigung können Situationen entsprechend ihrer Schwierigkeit (angstauslösende Wirkung) variiert werden. Auch Art und Ausmaß der symptomatischen Reaktion (hier phobisches Verhalten) werden sorgfältig analysiert auf den verschiedenen Verhaltensebenen, z B.  

  • R kognitiv: Hier komme ich nie wieder raus
  • R emotional: Angst
  • R körperlich: Schweiß, Herzrasen
  • R motorisch: Hochspringen und zur Tür rennen, Türgriff ergreifen, bei der nächsten Station so schnell es geht ans Tageslicht gelangen

Welche Konsequenz C dieses Verhalten in der konkreten Situation hat, ist leicht zu beobachten bzw. zu explorieren. Da muss nicht viel interpretiert werden. Die Flucht führt zum Verlassen der U-Bahn und der U-Bahnstation und damit zum Beenden der Angst. Diese Wirkung nennen wir negative Verstärkung, weil die angenehme Konsequenz darin besteht, dass etwas Unangenehmes aufhört.

Positive Verstärkung eines Verhaltens ist das Eintreten einer angenehmen Konsequenz, z. B. wenn Kinder um die Wette vom Gleisbereich zur Straße hoch rennen, weil wer es schneller als in 3 Minuten schafft, bekommt ein Eis. Gehen wir davon aus, dass sie keine Angst in der U-Bahn hatten, so ist ihr Hochrasen ans Tageslicht rein positiv verstärkt – durch das Verdienen einer Portion Eis.

Vorteil der Mikroebenen-Betrachtung ist also, dass sie uns hilft, wirksame Interventionen zu planen, die dazu führen, dass das symptomatische Verhalten in der konkreten Situation beendet oder nicht ausgeführt wird. Bei der U-Bahn-Phobie wird mit dem Patienten vereinbart, in der U-Bahn zu bleiben, also das Fluchtverhalten zu unterlassen, um die Erfahrung zu machen, dass die U-Bahn nicht gefährlich ist, so dass die panische Angst auch ohne das Fluchtverhalten nachlässt und nach einigen Malen keine Panik mehr ausgelöst wird.

Nachteil des Mikroebenen-Modells ist, dass nicht erklärt wird, wie es zur (klassischen) Konditionierung des situativen Stimulus (hier U-Bahn) kommt. Das Modell kann also die Entstehung einer Phobie nicht erklären, nur die Aufrechterhaltung – trotz der oben implizit dargelegten Zwei-Faktoren-Theorie von Mowrer (1960):die Kombination von klassischer und operanter Konditionierung.

Die Entstehungsgeschichte ist in der Organismusvariablen O des SORKC-Modells (Kanfer und Saslow 1974). Sulz (1987) hat dies auf folgende Weise in das Mikroebenen-Modell integriert:

  • Mikroebenen-Situation S: U-Bahn
  • Organismus O: Erinnerung an Makroebenen-Situation des allein Ausgeliefertseins nach Verlassen-Werden vom Partner 
  • oder 
  • Phantasie des künftigen Allein-in-der-Welt-Seins nach Weggehen vom Partner (bei Trennungsabsicht)
  • Reaktion R1: Angst und Panik
  • Reaktion R2: Flucht und künftige Vermeidung
  • Kontingenz k: assoziative Verknüpfung der Reaktion mit ihren Folgen (Flucht führt immer zu Nachlassen der Angst) 
  • Konsequenz C: Nachlassen der Angst

Dies bedarf aber einer zusätzlichen Darstellung der Symptomentstehung auf Makroebene. Dies sei wieder am Beispiel von Agoraphobie und Panik erläutert:

Symptomauslösende Lebenssituation S des Erwachsenenlebens: Trennung vom Partner vor einem halben Jahr.

Organismus O:            neben genetischen, angeborenen und in der Kindheit erworbenen somatischen und psychischen Merkmalen gibt es Erinnerungen an stattgefundene oder drohenden Verlust der wichtigsten Bezugspersonen, deren Präsenz für das Kind Überleben bedeutet – analog der Bindungstheorie von Bowlby (1975). Hinzu kommt ein Selbstbild eines Menschen, der allein nicht überlebensfähig ist. Um das emotionale Überleben zu sichern, werden Verhaltensregeln erstellt wie die Überlebensregel (Sulz 1994), die ein bestimmtes Verhalten gebietet (z. B. immer freundlich angepasst sein) und ein anderes Verhalten verbietet (z. B. sich ärgerlich durchzusetzen und selbständig sein), um das wichtigste Gut zu bewahren (z. B. Schutz und Geborgenheit) und die größte Gefahr abzuwenden (z. B. Verlassen werden und Alleinsein).

Reaktion R: Versuch mit dem Alleinsein zurecht zu kommen und Symptombildung: Agoraphobie und Panik mit ausgeprägtem Vermeidungsverhalten bezüglich Situationen, die Ungeschützt-Sein, Unerreichbarkeit von wirksamer Hilfe implizieren.

Konsequenz C: Nichts mehr allein unternehmen, andere Menschen als Beschützer in Anspruch nehmen. Dadurch wird auch vermieden, dass ein Selbstbild eines allein lebensfähigen Menschen mit relativer Autonomie und Autarkie entsteht. Diese Vermeidung bezieht sich auf die Selbstdefinition in nahen Beziehungen. Denn die Überlebensregel sagt ja, dass Unangepasstheit und Selbständigkeit zu Trennung führt.

Ganz allgemein lässt sich das SORkC-Schema auf der Makroebene kurz so formulieren:

S- Situation mit auslösenden Faktoren (meist in den letzten 6 bis 12 Monaten)

O – Organismus (biologische und psychische Merkmale und Überlebensregel)

R – Symptombildung, die  eine spezifische Vermeidung ermöglicht

k – lerngesetzlich notwendige Verknüpfung von R und C in dem Sinne, dass dann und nur dann wenn R erfolgt, auch C stattfindet

C – Konsequenz der Vermeidung einer subjektiven  Beeinträchtigung der lebensnotwendigen Beziehungen

Aus diesen Betrachtungen wird ersichtlich, dass die Makroebenen-Analyse das eigentliche Verständnis der Symptomentstehung und Aufrechterhaltung möglich macht mit der Beantwortung der Frage „Weshalb hat genau dieser Mensch in genau dieser Situation genau dieses Symptom gebildet und weshalb verschwindet es nicht mehr?“.

Die Mikroebene hilft uns dagegen bei der Interventionsplanung herauszufinden, was genau bezüglich der Situation und Konsequenz geändert werden kann und muss, damit das Symptom nicht mehr auftritt. Im Kontext einer kognitiv-behavioralen Analyse kann das bereits in der Änderung der Interpretation der Bedeutung der Situation bestehen oder in der Uminterpretation der Bedeutung des eigenen Verhaltens. Oft muss aber zusätzlich den konditionierten Emotionen ihre verhaltenssteuernde Wirkung durch ein Expositionsverfahren genommen werden.

J          Verhaltenssteuerung            durch kurz- und langfristige Konsequenzen

Die umfangreichen Forschungen der Lern- und Biopsychologie belegen, dass je kürzer das Intervall zwischen Reaktion und Konsequenz ist, um so wirksamer führt z. B. eine Belohnung zum Häufiger-Werden der Reaktion. Umgekehrt nimmt die Wirkung einer Verstärkung oder Belohnung rasch ab, wenn bereits mehrere Sekunden vergangen sind seit dem Ausführen einer Reaktion.

Wenn Flucht und Vermeiden der scheinbar gefährlichen phobischen Situation prompt zu Angstreduktion führt, dann ist das eine unmittelbare kurzfristige Konsequenz und damit ein mächtiger Verstärker.

Langfristige Folge ist, dass andere Möglichkeiten, die Angst zu reduzieren, nicht mehr ausprobiert werden und deshalb die phobische Konditionierung nicht gelöscht werden kann.

Kurzfristige Folge des Vermeidungsverhaltens ist also die Angstreduktion.

Langfristige Folge ist 

a) auf Mikroebene: das Ausbleiben der Erfahrung, dass die phobische Situation ungefährlich ist

b) auf Makroebene: das Ausbleiben der Erfahrung, allein lebensfähig und damit unabhängig zu sein

Diese beiden Konsequenzen haben jedoch keine situativ verhaltenssteuernde Wirkung, da der zeitliche Abstand zwischen Reaktion und Konsequenz viel zu lang ist. 

Im SORkC-Schema selbst werden deshalb nur die kurzfristigen (positiven) Konsequenzen des Verhaltens oder des Symptoms genannt.

Auch negative kurzfristige Konsequenzen erklären nicht die Aufrechterhaltung des symptomatischen Verhaltens. Sie verstärken die Reaktion ja nicht. Sie könnten höchstens bestrafende Wirkung haben und auf diese Weise das Verhalten unterdrücken. Allerdings bewirken sie z. B. ein noch negativeres Selbstbild im Sinne von fehlender Selbstwirksamkeit, was damit verbunden ist, dass das Selbstvertrauen, die Problemsituation zu meistern, sinkt und das nächste Mal wieder zum Symptom gegriffen werden muss. Insofern tauchen negative Konsequenzen das nächste Mal als Hinweisreize für das symptomatische Verhalten auf, d. h. für dessen Notwendigkeit, sich z. B. Mut anzutrinken.

4. PKP-Forschung

Neben der beständigen Evaluation von Prozess und Outcome begannen wir 2003 mit Studien zur differentiellen Wirksamkeit des Konzepts der Psychiatrischen Kurz-Psychotherapie PKP. Da die einzelnen Interventionen aus dem Repertoire der kognitiven Verhaltenstherapie stammen, das vielfach empirisch in kontrollierten Studien untersucht wurde, ging es bei der Studie nur noch darum, die spezielle Besonderheit des PKP-Ansatzes zu prüfen. Allerdings brauchte es nicht einmal das Kurzzeit-Setting zu untersuchen, da die Therapiedauer nahezu aller Studien im angloamerikanischen Sprachbereich zwischen zwölf und zwanzig Sitzungen lag. Dort würde eventuell unsere Gesamtzahl an Sitzungen (24 Stunden wöchentliche Akuttherapie plus sechs Stunden monatliche Erhaltungstherapie) gar nicht mehr als Kurzzeittherapie bezeichnet.

Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland seit dem 1. April 2017 die Standardlänge von ambulanter Langzeit-Verhaltenstherapie von 45 auf 60 Sitzungen erhöht wurde, ist unsere Therapiedauer durchaus als Kurzzeittherapie zu sehen. Sie ist nur halb so lang wie diese. Diese Entscheidungen zum Umfang ambulanter Psychotherapie wurden getroffen, als unsere Forschungsergebnisse noch nicht vorlagen. Unsere Ergebnisse machen im Nachhinein den Sinn dieser generellen Verlängerung diskussionsbedürftig. 

Wir haben nur zwei von drei möglichen Formaten der Psychiatrischen Kurz-Psychotherapie PKP empirisch untersucht (a und b):

  1. PKP-Gruppentherapie in der Klinik (drei Wochen lang drei 60-minütige Sitzungen je Woche)
  2. PKP-Einzeltherapie ambulant (24 plus 6 fünfzig-minütige Sitzungen)
  3. PKP-Einzeltherapie der ambulanten psychiatrischen Sprechstunde oder in der stationären Klinikvisite

Für letzteres hätten wir eine größere Anzahl von psychiatrischen Praxen und Klinikstationen benötigt, die bereit und in der Lage gewesen wären, die umfangreiche Diagnostik zu leisten. Um diese Variante überhaupt erforschen zu können, dürfte die Diagnostik nur wenig über die Standarddiagnostik hinausgehen. Für diese Einschränkung konnten wir uns damals nicht entscheiden.

4.1 Die Braunschweiger PKP-Studie (PKP-Gruppen in der Klinik)

Christian Algermissen und sein Therapieteam haben die Sprechstundenkarten zu DIN A4-Gruppentherapie-Karten umformatiert und die Behandlungen mit einem anspruchsvollen Studiendesign hinsichtlich ihrer Wirksamkeit geprüft (Algermissen, del Pozo, Rösser 2017. Algermissen & Rösser 2019). Sie kommen zu folgendem Ergebnis „Die Inhalte der PKP können als kombiniertes gruppen- und einzeltherapeutisches Behandlungskonzept in allgemeinpsychiatrisch und psychotherapeutisch orientierten Stationen einer Versorgungsklinik implementiert werden. Die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Evaluation (n = 1196) dieses innovativen Therapiekonzeptes in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Klinikum Braunschweig erlaubt eine positive Bilanz. Das Therapiekonzept ist effektiv, ressourcenschonend und erfährt eine hohe Akzeptanz bei Patienten. In Kooperation mit einer Psychiatrischen Institutsambulanz oder niedergelassenen Fachärzten sind sektorenübergreifende Behandlungspfade umsetzbar.“ (a.a.O. S. 113)

Sie wendeten das PKP-Konzept auf einer allgemeinpsychiatrischen und einer Psychotherapie-Station mit zusammen 34 Betten an. Die Patienten waren vier Wochen in dieser Versorgungsklinik in stationärer Behandlung.

Die Behandlung bestand aus vier PKP-Modulen, die jeweils drei Gruppensitzungen in Anspruch nahmen: 1. Symptomtherapie, 2. Fertigkeiten I (Aktivitätenaufbau), 3. Fertigkeiten II (Emotionsexposition) und 4. Motivationsklärung/Persönlichkeitsentwicklung (Überlebensregel & Lebensregel).

Es liefen parallel zwei Gruppen: Eine erste Gruppe begann mit Modul 1, setzte mit Modul 2, 3 und 4 in der definierten Reihenfolge des PKP-Konzepts fort, eine zweite Gruppe, mit Patienten, die eine Woche später stationär aufgenommen worden waren, begann mit Modul 2 (Aktivitätenaufbau), danach 1 (Symptomtherapie), danach 4 (Überlebensregel) und zuletzt 3 (Emotionsexposition). Jeder Patient nahm an insgesamt 12 Gruppensitzungen statt.

Zusätzlich erhielten die Patienten PKP-Einzelsitzungen, die sich zunächst auf die laufenden Gruppenthemen bezogen, später jedoch in das Arbeiten an der individuellen Persönlichkeitsentwicklung mündete. Dazu gehörte eine PKP-Therapeutenteam-Konferenz. Nach der Entlassung erhielt der Patient in KP-Einzelsitzungen, die sich vornehmlich mit der Modifikation der dysfunktionalen Überlebensregel und dem Etablieren einer neuen Erlaubnis gebenden Lebensregel befassten. Die ambulante Nachbetreuung umfasste mindestens fünf Sitzungen.

1196 Patienten nahmen an der Studie teil, 696 konnten alle vier Module durchlaufen. Bei einem Teil wurde nur die Indikation Modul 1 und 2 gestellt, andere wurden verlegt. Es kam bei 0,6 % zu Therapieabbrüchen. Der BDI sank hochsignifikant. Die Effektstärke war mit d=1,14 groß. Zu den Einschränkungen der Studie schreiben die Autoren: „Die Aussagekraft der Ergebnisse ist allerdings durch die unterhälftige Rücklaufquote eingeschränkt. Die Teilnehmenden erhielten gleichzeitig weitere Therapieverfahren wie Psychopharmakotherapie und komplementäre Therapien der Standardbehandlung.“ (a.a.O. S. 129).

Die abschließende Würdigung der Autoren weist auf die sehr hohe Akzeptanz des PKP-Konzepts bei Patienten und Behandlern hin: „Die hohe Relevanz, die dem zentralen Konstrukt des PKP-Behandlungskonzeptes, der Überlebensregel, von Teilnehmenden zugestanden wird, weist auch auf eine hohe Akzeptanz für das Behandlungskonzept und das zugrundeliegende funktionale Störungsmodell insgesamt hin. Dies war auch unsere alltägliche Erfahrung. Zusammenfassend ließ sich das PKP-Behandlungskonzept mit einer Kombination aus gruppen- und einzeltherapeutischen Therapieelementen gut in das stationäre Therapieangebot einer mittelgroßen Versorgungsklinik implementieren. Das Konzept konnte in den letzten Jahren mit hoher Stabilität und Akzeptanz von Seiten der PatientInnen aufrechterhalten werden. Dies wurde dadurch unterstützt, dass Stationsmitarbeitende und KreativtherapeutInnen, insbesondere aber sämtliche psychologischen GruppenleiterInnen der PKP-Depressionsgruppe einen einfachen Zugang zum PKP-Behandlungskonzept fanden, gerne damit arbeiteten und die Praxisbezogenheit und rasche Anwendbarkeit der Therapietechnik schätzten.“ /a,a,O, S. 133).

4.2 Die Münchner PKP-Studie Phase 1 (ambulante Kurzzeittherapie)

Kaufmayer & Sulz (2018) berichteten über diese Studie.

Therapie- und Studiendesign

Der Erhebungszeitraum lief von 2010 bis 2014. Die Therapiesitzungen dauerten 50 Minuten. Der Ablauf einer Therapiesitzung war so, dass der Patient zehn Minuten berichtete und die Hausaufgaben besprochen wurden. Der Kern der Therapie bestand aus dem fünfundzwanzigminütigen Besprechen und Bearbeiten des geplanten Therapiethemas mit Hilfe der nächsten PKP-Therapiekarten. Zum Schluss wurden zehn Minuten lang die kommenden Hausaufgaben besprochen und Feedback für die Therapiesitzung eingeholt. Bei 24 wöchentlichen Sitzungen dauerte di Akutphase der Therapie etwa ein halbes Jahr. Danach folgte die etwa sechsmonatigee Erhaltungstherapie (alle vier Wochen eine Sitzung). Nach weiteren sechs Monaten fand die Katamnese-Sitzung statt. Es war von Anfang an vereinbart, dass die Therapie nach diesen dreißig Sitzungen beendet wird.

Die 16 StudientherapeutInnen (13 weibliche und 3 männliche) führten die Behandlungen in der Ambulanzder CIP-Akademie durch. Sie erhielten eine PKP-Schulung und wurden vom Projektleiter S. Sulz) wöchentlich bis vierzehntägig in der Gruppe supervidiert, zudem erhielten sie fallweise Einzelsupervisionen.

Es gab eine Therapiegruppe und eine Wartelistenkontrollgruppe. Die PatientInnen der Therapiegruppe (7 PatientInnen) erhielten (entgegen der üblichen 6-monatigen Wartezeiten im Psychotherapiebereich in München) erhielten sofort einen Therapieplatz und konnten sofort mit der Behandlung beginnen. Die PatientInnen der Warteliste (54 PatientInnen) wurden auf die Warteliste eingetragen mit der Zusicherung,dass ihre Behandlung in sechs Monaten beginnen wird. Während der Wartezeit stand für sie in derAmbulanz eine AnsprechpartnerIn zur Verfügung. Nach Beendigung der Wartezeit wurden sie regulär in der Ambulanz psychotherapeutisch versorgt. Der weitere Verlauf wurde bei ihnen aber dann nicht mehrerfasst. Die Patienten befanden sich also eineinhalb Jahre in der Studie (Abbildung 4.1).

 
 

Abbildung 4.1: Übersicht über die Behandlungsdauer in der Experimentalgruppe

Das Konzept der Erhaltungstherapie mit sechs vierwöchentlichen Sitzungen wurde von Dunn und Tierney(2006) übernommen, die zeigten, dass die Rückfallquote durch Boostersitzungen in den ersten sechs Monaten nach Therapieende gesenkt werden kann.

In die Stichprobe wurden Patienten mit leichter bis mittelgradiger depressiver Episode (F32.1), Dysthymie (F34), Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik (F43.20 und F43.21) aufgenommen. Die Diagnostik erfolgte mittels standardisiertem Interview zur Befunderhebung VDS14 (Sulz, Hörmann, Hiller,Zaudig, 2002) und dem Sympotomfragebogen (Selbstbeobachtungs-Skala) VDS90 (Sulz et al., 2009). DasAlter der PatientInnen lag zwischen 18 und 75 Jahren.

PatientInnen, die seit mindestens drei Monaten eine konstante antidepressive Medikation erhielten, wurden mit der Auflage, diese Dosierung während der ganzen Studie beizubehalten, aufgenommen. KomorbideStörungen wurden nicht als Ausschlusskriterium definiert.

Die Symptomatik (VDS14, VDS90, BDI II) reduzierte sich bei der Warteliste nicht, dagegen bei der Therapiegruppe hochsignifikant bei sehr hoher Effektstärke (Hedges g = 2,0). Das globale Funktionsniveau erhöhte sich nur bei der Therapiegruppe hoch signifikant, ebenfalls bei einer großen Effektstärke (g = 1,7).

Auch in dieser Studie verringerte sich der Einfluss der dysfunktionalen Überlebensregel im Verlauf der Therapie drastisch. Sie konnte bei vielen Patienten durch eine neue Erlaubnis gebende Lebensregel ersetzt werden.

Beachtenswert ist, dass die Depressionswerte des BDI II am Ende der wöchentlichen Akuttherapie noch im leicht depressiven Bereich lagen (14,1), nach der monatlichen Erhaltungstherapie in den nicht-klinischen Bereich sanken (8,2) und ohne jegliche Therapie nach dem Katamnesezeitraum weiter auf 5,0 sanken. D.h. dass die Therapie nicht bis zum völligen Verschwinden der Depression erfolgen muss, sondern dass danach die Besserungen kontinuierlich weitergehen, bis zur völligen Gesundheit.

Wir müssen jedoch andererseits bedenken, dass Mittelwerte bedeuten, dass es Patienten mit deutlich höheren Werten gibt, bei denen also die Depression nur wenig abgenommen hat. In dieser Studie war die Besserungsrate ähnlich wie in anderen Studien (ein Drittel wird symptomfrei, ein Drittel gebessert und ein Drittel nicht gebessert).Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass diese Verteilung beim gegenwärtigen Stand der Therapieforschung als sehr guter Erfolg zu werten ist. Weitergehende allgemeine Schlussfolgerungen lassen sich jedoch nur durch nachfolgende kontrollierte Studien mit Zufallszuteilung zu den Experimentalgruppen treffen. Ein ausführlicher Bericht über diese Studie findet sich bei Kaufmayer (2018) und Kaufmayer & Sulz (2018).

4.3 Die Münchner PKP-Studie Phase 2 (ambulante Kurz- und Langzeittherapie)

Die zweite Phase der Münchner PKP-Studie bestand darin, dass zum Vergleich eine Langzeittherapie hinzugezogen wurde.  Peters und Sulz (2018) berichteten über diese Studie. Diese wurde ebenfalls mit dem PKP-Konzept durchgeführt, die Therapiethemen wurden jedoch mehr vertieft und es gab mehr Gelegenheit zum Üben.

Therapie- und Studiendesign

Zu der Experimentalgruppe von Kaufmayer & Sulz (2018) wurde eine zweite Experimentalgrupppe hinzugefügt. Patienten dieser Gruppe erhielten 44 fünzigminütige Einzeltherapiesitzungen in wöchentlichem Abstand. Bei ihnen folgte auf diese „Akuttherapie“ keine monatliche Erhaltungstherapie. Sie wurden lediglich sechse Monate später zu einem Katamnesegespräch eingeladen. In dieser Gruppe waren 79 PatientInnen (F32: 37%, F33: 50%, F34.1:1%, F43.2: 13%). -der sozioökonomische Status entsprach dem der Kurzzeitgruppe, u.a. weiblich: 57%, Alter (MW): 39, berufliches Beschäftigungsverhältnis: 69% in der KZT, 72% in der LZT).

Es wurden einfaktorielle Varianzanalysen mit Messwiederholung durchgeführt. Zur Beurteilung der Effektstärke diente Eta-Quadrat (η2). Werte zwischen.06 und .14 bedeuten einen mittleren Effekt und Werte ab .14 eine starken Effekt.

Die Auswertung des BDI II ergab nach 24 Sitzungen eine Überlegenheit der Kurzzeittherapie (signifikant auf dem 1-Promill-Niveau). Nach 30 Sitzungen (am Ende der Erhaltungstherapie) war die Kurzzeit-Gruppe genau so gut wie die Langzeitgruppe. Und zum Katamnesezeitpunkt blieben auch beide Gruppen gleich gut, d.h. bei beiden war der Depressionswert signifikant auf einen nicht-klinischen gleich großen Wert gesunken (siehe Abb. 4.2).

In der Auswertung des VDS90-Gesamtwertes (Symptome über alle Störungsbereiche hinweg, also die psychische Gesamt-Gestörtheit des Patienten analog zu SCL-R, vergl. Sulz & Grethe 2005, Sulz, Beste, Kerber et al. 2009) zeigten sich die gleichen Ergebnisse. Auch im standardisierten Interview zur Erhebung des psychischen Befunds VDS14 (Sulz, Hörmann, Zaudig, Hiller 2002 sowie Sulz, Hummel, Jänsch, Holzer 2011) zeigte sich der gleiche Effekt: Hochsignifikante Besserungen der depressiven Symptomatik nach der Therapie und keine signifikanten Unterschiede zwischen KZT und LZT. Dysfunktionale Persönlichkeitszüge, die mit dem VDS30-Persönlichkeitsfragebogen erfasst wurden, nahmen auf gleiche Weise sowohl bei Kurzzeit- als auch bei Langzeittherapie signifikant ab (Gesamtwert über alle Skalen).

Hier bitte Abb. 4.2 einfügen Quelle siehe (Peters & Sulz 2018, S. 157) (unsere Zeitschrift)

Abbildung 4.2 Outcome BDI bei Kurz- und Langzeitgruppe (Peters & Sulz 2018, S. 157)

Der Veränderungsfragebogen des Erlebens und Verhaltens (VEV, Zielke & Kopf-Mehnert 1978) dient der direkten Änderungsmessung, d.h, es wird kein Vorher-Nachher-Vergleich durchgeführt, sondern direkt ermittelt, wie groß die Änderung war. Dadurch entfällt ein entsprechender Signifikanztest. Es zeigt sich eine gleichermaßen hohe Effektivität von Kurzzeittherapie und Langzeittherapie. Wiederum war die Langzeittherapie der Kurzzeittherapie nicht überlegen.

Die Globale Beurteilung des Funktionsniveaus (GAF-Checkliste im DSM IV, Saß, Wittchen, Zaudig & Houben, 2003) wies wie alle anderen Messinstrumente hochsignifikante Verbesserungen mit hohe Effektstärke auf.

Insgesamt war jedoch auffallend, dass es nach 24 Sitzungen (dem Ende der Kurzzeittherapie und der Hälfte der Langzeittherapie) vorübergehend zu signifikanten Unterschieden kam, die aber bei der Katamnese wieder verschwunden waren. Überraschenderweise schnitten die Langzeitpatienten zu diesem Zeitpunkt tendenzweise schlechter ab als die Kurzzeit-Patienten – bei den Fremdbeurteilungen deutlicher als bei den Selbstbeurteilungen. Um dies interpretieren zu können, bedarf es weiterer Forschung.

Wir können jedoch festhalten, dass im direkten Vergleich von Kurz- und Langzeittherapie erstere zu keinem Zeitpunkt schlechtere Ergebnisse aufwies. Die Langzeittherapie zeigte sich in unserer Studie nicht überlegen.  Allerdings stellt sich die Frage, ob es Patienten gibt, die eine Langzeittherapie benötigen. Dies scheint für Patienten mit hohen dysfunktionalen Persönlichkeitszügen bzw. Persönlichkeitsstörungen der Fall zu sein und für Patienten, die zu Beginn der Therapie ein schlechtes Globales Funktionsniveau GAF aufwiesen, also Menschen, bei denen ihre Erkrankung dazu führte, dass sie mit den allgemeinen Anforderungen des Alltagslebens schlecht zurecht kommen.

4.4 Die Evaluation des PKP-Ansatzes in der ambulanten Behandlung der Alkoholkrankheit 

Wir konnten in der Alkohol-Ambulanz CIPM in München keine kontrollierte Studie durchführen, sondern nur einzelne PKP-Module evaluieren. 

Besonderer -Schwerpunkt wurde bei diesen Patienten auf die Emotionsregulation gelegt. Sie erhielten – neben den wechselnden Interventionen der anderen PKP-Module ein wöchentliches Gruppentraining im Umgang mit ihren Gefühlen. 

Hier die Kenndaten unserer Stichprobe:

  • 30 Patienten der Fachambulanz CIPM München.
  • Dauer der Therapie: 60 Gruppen-Sitzungen und 20 Einzelsitzungen (etwa 1 Jahr)
  • Alter: 52 Jahre durchschnittlich
  • 70 % Männer, 30 % Frauen
  • 53 % verheiratet, 27 % geschieden, 20 % ledig
  • 67 % Hauptschulabschluss, 23 % Akademiker
  • bei 52 % ist es die 2. Entwöhnungsbehandlung

Abbildung 4.4 Lebenszufriedenheit nach Behandlung PKP Alkoholkrankheit (unveröffentlicht)

Mit Ausnahme von Wohnen und Partnerschaft sind alle Unterschiede hoch signifikant. Wenn wir das Therapieergebnis bezüglich des MALT und der VDS90-Gesamtsymptomatik betrachten, so sehen wir, dass im MALT nur noch wenige Symptome übriggeblieben sind und auch das Gesamtbefinden bezüglich psychischer und psychosomatischer Symptome weit gebessert ist. Diese Ergebnisse sind hochsignifikant (1 Prozentniveau). Die Wohnsituation kann durch die Therapie nicht so schnell zu einer Verbesserung führen. Das könnte sie nur indirekt und verzögert bewirken. Wenn z.B. wieder eine Stelle gefunden wird auf dem früheren Qualifikationsniveau, die es ermöglicht, mehr Miete zu zahlen. Die Partnerschaft ist mit das größte Problem, das ebenfalls nur sehr allmählich verbessert werden kann.

4.5 Fazit: Aktueller Stand der Evaluation der Psychiatrischen Kurz-Psychotherapie PKP

Wir haben deutliche Hinweise, dass PKP leicht einsetzbar ist, gut von Patienten angenommen wird und sowohl im. Gruppen- als auch im Einzel-Setting therapeutisch wirksam ist. Erste Versuche der Evaluation liegen vor bei Depression und chronischem Alkoholismus. Die Ergebnisse bei Depression sind überzeugend.

Nächster Schritt muss die Evaluation der 20-Minuten-Sprechstunde bzw. Visite sein, da sie eine sehr große Erweiterung des Anwendungsspektrums in der Psychiatrie darstellen würde, sowohl in der Praxis als auch in der Klinik.

Die Forschungsgesellschaft EUPEHS (eupehs.org) unterstützt Kliniken, die PKP erproben und wissenschaftlich evaluieren wollen.

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